Die Familie

 

Im alten Ägypten bildete die Familie das Zentrum der Gesellschaft und hohes Ziel war es, die Familie zu erhalten. In Grabanlagen wird immer wieder gezeigt, das auch die Familie im Jenseits zusammen bleiben soll. 
In der Regel gab es keine Großfamilien, sondern eher die kleinere Variante. Diese bestand meist aus dem Vater und der Mutter und den noch unmündigen Kindern. Für die Begriffe Onkel und Tante, so wie wir es heute kennen, gab es damals noch keine genaue Bezeichnung, deshalb wurden diese Wörter umschrieben. Ich denk, das ist zum Beispiel so gemeint: "Schwester der Mutter" = Tante. 

 

Die Eheschließung

Im Normalfall wurde in Ägypten nur einmal geheiratet, das heißt, "Mann" hatte nur einen Partner. Zu mindest war das bei den "Otto-Normal-Verbrauchern" der Fall, da eine Vielehe oder gar ein Harem oft unerschwinglich war. Das Ziel einer Ehe sollte wohl sein, ein möglichst hohe Zahl von Kindern in die Welt zu setzen, unter anderem auch deshalb, damit später der Totenkult der verstorbenen Eltern angemessen wahrgenommen werden konnte. Söhne wurden allerdings bevorzugt.
eine Frau umarmt bei einem Bankett einen Mann, Grab des Ramose, Theben-West

Mädchen waren schon mit 13-14 Jahren im heiratsfähigen Alter, bei den Jungen wartete man bis zum 20. Lebensjahr.So lehren Texte zum Beispiel, das ein Mann in den ersten 10 Jahren seines Lebens Außerdem sicherten die Kinder das Erbe und auch die Nachfolge im Amt. Jedes geborene Kind war willkommen, tüchtig lernen soll, um dann in den darauf folgenden Jahren recht viele Besitztümer anzuhäufen. Dann war der Grundstein für die Gründung einer Familie gelegt. Bei der Eheschließung besaß der Mann in der Regel ein kleines Haus und seine Ehefrau wurde dann zur "Herrin des Hauses". Hochzeit in unserem Sinne, wurde damals nicht gefeiert. Man vermutet, das das die Braut mit ihrer Mitgift in das Haus ihres Bräutigams einzog und somit die Eheschließung vollzogen war. Übrigens wurde den damaligen Mädchen nicht verboten, schon vor der Ehe sexuelle Erfahrungen gemacht zu haben. Vom Ehemann wurde verlangt, formelle Verpflichtungen einzugehen, um seine Gattin finanziell abzusichern. Bei einer Trennung übereignete er ihr die Vermögenswerte die im Vertrag aufgelistet waren und ein Drittel all dessen, was während der Ehe hinzugewirtschaftet wurde.

 

Trennung und Scheidung

Die Motive der Trennung, die Quellen nennen, sind die gleichen wie heute: Ehebruch, Wunsch mit einem anderen Partner zusammenzuleben, Interessenkonflikte und auch Unfruchtbarkeit.
Ein Mann wusste genau, das er sich nicht leichtfertig von seiner Frau trennen konnte. Ihm drohten etwa der Verlust von gemeinsam erworbenen Vermögenswerten. Jede Streitigkeit wurde vor einem Gericht geschlichtet vor dem die Eheleute erschienen und ihre Standpunkte darlegten. Die Frau, die den gemeinsamen Wohnsitz verließ, schuldete ihrem Mann eine geringfügige Abfindung und behielt aber ihr gesamtes Privatvermögen.
Der Ehebruch war ein besonders schweres Verbrechen. Zwar konnte ein Mann, wenn seine Frau unfruchtbar war, mit einer Dienerin oder Sklavin Kinder zeugen, durfte aber niemals mit einer verheirateten Frau ein Verhältnis eingehen. Sollte er dabei erwischt werden, drohte ihm unter Umständen sogar die Todesstrafe oder er wurde kastriert. Sollte eine Frau sich auf so ein Verhältnis einlassen und ihren Mann betrügen, konnte sie verbrannt oder den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen werden. 

 

Gründe Dir einen Hausstand und liebe Deine Frau nach der
 rechten Ordnung.
Fülle ihren leib mit Speisen und bekleide ihren Rücken...
Erfreue Dein Herz, solange Du lebst.

Weisheitslehre aus dem Alten Reich

 

Die Ehepartner
Wenn auch viele Ehen durch die Eltern vermittelt wurden, so wurde doch eine Liebesheirat angestrebt. Junge Mädchen nannten ihren Freund zärtlich "Bruder" und umgekehrt die Jungen die Mädchen "Schwester. Das führte lange Zeit zu Mitverständnissen, insofern man glaubte, damals waren Geschwisterehen Gang und Gebe. Jedoch trafen solche Vermutungen nicht zu. Ehen zwischen Verwandten wurden nur manchmal auf Zeit vollzogen, um das weibliche Familienmitglied zu versorgen. In der Oberschicht gab es vermutlich Ehen zwischen Halbgeschwistern, aber kaum zwischen Vollgeschwistern. Diese Ehen dienten allerdings eher politischen Zwecken. Die Ehefrau war dem Mann gleichberechtigt (welch ein Fortschritt) und konnte über Vermögensteile, die sie mit in die Ehe brachte, selbst bestimmen. Ehepaare begegneten sich stets mit großer Hochachtung, Ausnahmen gab's sicherlich immer.

 

Schwangerschaft und Verhütung

Fruchtbarkeitsstatuette aus Fayence mit Schmuck, Tätowierungen und Hüftgürtel, Mittleres Reich
Paare, die eine Schwangerschaft vermeiden wollten, konnten auf verschiedene Arten von Verhütungsmitteln und Rezepturen zurückgreifen. Diese bestanden meist aus einer Reihe von sonderbaren Zutaten, denen oftmals noch etwas Krokodildung zugemischt wurde.  Zum Beispiel gab es da ein Gemisch aus Natron und Honig, welches die Frau auf ihre Lippen und die Vagina auftrug. Ein Rezept aus dem Papyrus Ebers empfiehlt, eine Art Tampon in die Vagina einzuführen, der mit einer Substanz aus Akazienextrakt, Koloquinte, Datteln und Honig getränkt war. Angeblich sollte diese Verhütungsmaßnahme vor einer ungewollten Schwangerschaft schützen. Jedoch kam mit Sicherheit irgendwann einmal der Tag, an dem die Frau ein Kind zur Welt bringen wollte. Wenn auch nicht alles, was bei Empfängnis und Menstruation bei den Frauen im Klaren war, eines wussten sie. Wenn die Periode ausblieb, war dies ein eindeutiges Zeichen einer Schwangerschaft. Wer allerdings noch Zweifel hatte,

suchte einen Arzt auf und dieser untersuchte die Frau an Haut, Augen und Brust. Als zusätzlicher Test wurde eine Urinprobe der Mutter genommen und über Gemüse- oder Getreidesprösslinge gegossen. Das beschleunigte Wachstum dieser Pflanzen bestätigte dann die Schwangerschaft. Heutige Untersuchungen haben ergeben, das die Hormone im Urin einer schwangeren Frau tatsächlich das Wachstum bei Pflanzen beschleunigen.

Anhand dieses Tests versuchte man sogar herauszufinden, ob das Kind ein Mädchen oder Junge wird. Schnelleres Wachstum bei Gerste ließ auf einen Jungen schließen und bei Weizen auf ein Mädchen. Natürlich musste eine schwangere Frau und das noch ungeborene Baby vor allerlei bösen Geistern und Dämonen beschützt werden.
drei Halsketten aus der 18. Dynastie, äußere Kette besteht aus kleinen Figuren der Göttin Taweret zum Schutz vor Gefahren bei Schwangerschaft

Deshalb besorgten sich die Eltern die nötigen Amulette und Figuren von Schutzgottheiten, die die Schwangere um den Hals trug. Eine andere Maßname, um zum Beispiel eine Frühgeburt zu verhindern war, die Verknotung der Haare zu einer strengen Frisur. Man verglich das mit der Geburtsöffnung, die ja auch "verknotet" bleiben musste. Bestimmte Gemüsesorten wurden eng mit der weiblichen Fruchtbarkeit verbunden, so auch der ägyptische Kopfsalat.  Dieser Salat wuchs aufrecht in die Höhe und sonderte beim Zerdrücken eine milchig-weiße Flüssigkeit ab. Dieses Gemüse sollte ein zuverlässiges Mittel gegen männliche Impotenz sein. Eine weitere zweckmäßige Methode, gegen Kinderlosigkeit anzugehen, war die Adoption.

 

Die Geburt

Der gesamte Geburtsvorgang war ein rein von Frauen kontrollierter Ritus, den die meisten Männer nie erlebten. Den ausführlichsten Bericht über eine Geburt liefert uns der Papyrus Westcar und das möchte ich nun schildern. Man benutzte zur Entbindung einen tragbaren Geburtsstuhl und die Entbindende wurde von vier Göttinnen beschützt, die als verkleidete Hebammen anwesend waren. Isis stellte sich vor die werdende Mutter und entband sie von dem Baby, Nephtys stand hinter der Mutter,
zwei Hebammen in Gestalt der Göttin Hathor helfen einer Frau bei der Geburt, aus Dendera

Heket beschleunigte die Geburt (wie, das wird nicht erwähnt) und Mesechenet erfüllte ihre göttliche Pflicht, indem sie die Zukunft des Neugeborenen voraussagte, während der Gott Chnum dem Baby das Leben einhauchte. Dann wurde der Säugling gewaschen, nachdem die Nabelschnur durchtrennt war und anschließend in ein Bett aus Ziegelsteinen gelegt. Die Hebammen wurden von der Mutter mit Getreide entlohnt und diese zog sich dann für 14 Tage zur Reinigung ihres Körpers in die Wochenlaube zurück.

Diese wurden extra für die Geburt hergerichtet und beim Einsetzen der Wehen bezogen. Diese zeltähnlichen Gebilde waren mit Girlanden geschmückt. Während der Geburt kauerte die zu Entbindende nackt auf zwei niedrigen Stapeln aus Ziegelsteinen oder saß auf einem Geburtsstuhl. In diesen war eine Öffnung, die genauso groß war wie das Baby, hineingelassen. Die Hebamme zog dann das Neugeborene vorsichtig heraus. Die meisten Frauen mussten bei der Niederkunft ohne Hilfsmittel auskommen. Allerdings gab es für schwierigere Fälle bewährte Verfahren, wie Unterleibsverbände und Vaginalzäpfchen, um die Geburt einzuleiten. Die Hebamme hatte als einzigstes chirurgisches Hilfsmittel ein
eine Mutter, die ihr Kind säugt, Kinder wurden in der Regel bis zu drei Jahren gesäugt

Messer aus Obsidian parat, mit dem sie die Nabelschnur durchschnitt. Die Plazenta oder Nachgeburt wurde sorgfältig vor der Haustür begraben, weil nach dem Glauben der Ägypter das Schicksal dieser unmittelbar mit dem Leben des Kindes in Verbindung stand. Manchmal gab man sogar der Mutter und dem Kind davon zu essen. Sollte sich das Kind gegen die "Nahrungsaufnahme" verweigern und eher "nein" statt "ja" zu schreien,

wurde das als schlechtes Omen gedeutet. Hinweise auf Mehrlinsgeburten gibt es eher selten. Übrigens waren Zwillinge nicht sehr willkommen, was die Vermutung aufgeworfen hat, das eines der Zwillinge getötet wurde. Allerdings lässt sich diese Theorie nur schwer beweisen und mit der oft betonten Kinderliebe nicht in Einklang bringen.
Nach der Entbindung wurde von der Mutter eine 14-tägige "Reinigung" oder "Läuterung" erwartet.  Mit Reinigung wurde die Menstruation gemeint, welche in den ersten Tagen nach der Geburt einsetzt. Während dieser Zeit übernahmen die weiblichen Verwandten die Hausarbeit und der Mutter wurde "erlaubt" sich eine Weile Ruhe zu gönnen und um sich ganz dem Neugeborenen zu widmen.

eine Mutter mit ihrem in einem Tuch gehaltenen kleinen Sohn, Theben, Grab des Month-em-Het, 25. Dynastie