Kindheit und Erziehung

 

Große Kinderliebe

Es gab nur wenige Gesellschaften in der Menschheitsgeschichte, in der Kinder so willkommen waren, wie bei den Alten Ägyptern. Ehen, die kinderlos blieben, konnten aufgrund der Unfruchtbarkeit des Mannes oder der Frau durchaus geschieden werden.
Die Eltern sorgten mit allen Kräften für das Wohl der Kinder. Umgekehrt verhielt es sich genauso. Die Kinder umsorgten Ihre Eltern, wenn diese ins Alter kamen und kümmerten sich um sie, bis über den Tod hinaus. Die Liebe der Eltern verlangte den Gehorsam der Kinder und ein Schreiber bemerkte einmal:

 

"Ich war geliebt von meinem Vater,
gelobt von meiner Mutter. Ich gab Ihnen keine Gelegenheit, mich zu strafen,
bis sie in ihr Grab in die Totenstadt gingen, ....denn ich 
bringe ihnen Opfergaben dar."

 

Eine ägyptische Kindheit verlief den jeweiligen Umständen entsprechend glücklich und da es gegen die Weltordnung verstieß, wurden auch keine Kinder misshandelt. Kindesaussetzungen waren sehr sehr selten an der Tagesordnung. Kindesmord war für die Ägypter eines der größten Verbrechen überhaupt. Denn diese sind ohne Sünde und den Göttern deshalb nah. Eine Aufzeichnung besagt, das es einen Fall gab, bei dem die Eltern, welche ein (ihr?) Kind getötet hatten, nicht mit dem Tode bestraft wurden. Aber sie mussten das tote Kind 3 Tage und 3 Nächte lang im Arm halten und es betrachten. Die Kehrseite der Münze war jedoch, das alles was ich bisher geschrieben habe, nur für eheliche oder Waisenkinder galt. Uneheliche Kinder wurden verachtet.
Zwergenfrau mit Kind auf dem Arm, Mittleres Reich

 

Namensgebung

Unmittelbar nach der Geburt erhielt das Neugeborene von seiner Mutter einen Namen. Der Name hatte im alten Ägypten eine große Bedeutung. Die meisten Ägypter nicht-königlicher Abstammung hatten einen persönlichen Namen. Durch genaue Zusatzbezeichnungen wie z. Bsp. "Sohn der Abana" konnte der eigentliche Name noch ergänzt werden. Beliebte Namen wurden auch schon mal in der Familie mehrfach vergeben. Da es sicherlich etwas nervtötend war, wenn drei oder gar vier Töchter auf den selben Namen hörten, bekam man auch noch einen unterschiedlichen Rufnamen. Auch waren sehr lange Namen beliebt. Hier mal ein solches Beispiel

Heka-Maat-re-em-per-Chons

Gab es in der Familie keinen Lieblingsnamen, so wurde ein Kind auch gern nach Göttern oder Göttinnen benannt. So wie auch mein Name. Merit-Isis bedeutet soviel wie "geliebt von Isis". Andere Namen wiederum konnten die Beziehungen zwischen Kind und Mutter oder anderen Familienangehörigen ausdrücken. Dann hieß man "Aneksi" - Sie gehört zu mir, oder "Senetenpu" - Sie ist unsere Schwester. Häufig wurden Kinder auch nach Mitgliedern der königlichen Familie benannt. "Susanne" war einer der beliebtesten ägyptischen Mädchennamen.

 

Das Stillen

 

"Mein Sohn, Du König, nimm dir... meine Brust und sauge sie... Er kam zu diesen beiden Müttern... mit den langen Haaren und strotzenden Brüsten, diesen seinen beiden Müttern... Die stecken ihre Brüste in seinen Mund, und nimmermehr entwöhnen sie ihn."

Pyramidenspruch aus dem Alten Reich

 

Kinder wurden normalerweise 3 Jahre lang gestillt, auch wenn sie schon feste Nahrung zu sich nahmen. Einerseits war es die bequemste und sterilste Form, das Baby zu ernähren, andererseits hatte das Stillen eine gewisse empfängnisverhütende Wirkung. Die medizinischen Papyri empfehlen vor dem Stillen die Güte der Milch zu prüfen.

"Gute Milch" sollte nach getrocknetem Manna schmecken und "Schlechte Milch" sollte an einem deutlichen Fischgestank zu erkennen sein.Um für genügend Milch zu sorgen, sollte der Rücken der Mutter mit einer speziellen Mixtur eingerieben werden und sie sollte mit gesäuertem Brot oder Gerstenmehl ernährt werden. Als Arzneimittel galt vor allem die Milch einer Mutter, die einen Jungen geboren hatte. Sie diente vor allem als Babynahrung, sollte aber auch Brandwunden vorzüglich heilen.
Vornehme Frauen überließen das Stillen einer Amme. Dieser Beruf wurde gut bezahlt und stand den Frauen aller Gesellschaftsschichten offen. Die Stelle einer königlichen Amme war stets heiß begehrt, da sie eine der wichtigsten einflussreichsten Positionen war, die sich eine nicht-königliche Frau erhoffen durfte.

 

Kinderkrankheiten

Nur sehr wenige Eltern konnten es sich leisten, einen Arzt aufzusuchen, sollte das Kind einmal krank werden. Da es eine hohe Kindersterblichkeit gab, waren die Eltern bei Erkrankungen stets außer sich vor Sorge, da meist auch ein Arzt nichts ausrichten konnte. Litt zum Beispiel ein Kind beim Zahnen, so wurde der Rat erteilt, dem Kind eine gebratene Maus zum Verzehr anzubieten. Bei einem zahnlosen Kind eine echte Herausforderung :-) Schlimmere Krankheiten wie Masern konnten ohne eine richtige Behandlung tödlich sein. Um den ärztlich verordneten Heilmethoden noch mehr Nachdruck zu verleihen, wurden zusätzlich Talismane, Amulette und Zaubersprüche angewandt

 

"Gehe zugrunde, im Dunkeln kommender, der sich heranschleicht, seine Nase nach hinten, mit zurückgewandtem Gesicht, der vergisst, wozu er gekommen ist! Bist Du gekommen,
dies Kind zu küssen? Ich lasse nicht zu, das Du es Küsst!"

Medizinischer Text aus dem Neuen Reich

 

Zaubersprüche in dieser Art galten als Wirkungsvoll, wenn sie auf einen fetzen Papyrus geschrieben wurden und diesen dann in eine eigens dafür gefertigte Perle steckte, die dem Kind um den Hals gehangen wurde.

 

Vom Kind zum Teenager

Ob nun Vater oder Mutter - man kaufte oder bastelte die unterschiedlichsten Spielsachen mit denen sich die Kinder dann vergnügten. Das konnten geschnitzte Holztiere, Spielzeugboote, Holzbälle oder Kreisel sein. Wer sich den Luxus eines Spielzeuges nicht leisten konnte, der hatte die offenen Felder für die unterschiedlichsten Spiele und die Kanäle zum Schwimmen. Da der dickflüssige Nilschwamm eine hervorragende Modelliermasse ergab, fand man bei Ausgrabungen zahlreiche einfache Tonpuppen und Tiere, die vermutlich von Kinderhänden gefertigt waren. Manche Väter nahmen sogar ihre Töchter mit auf die Jagd, ein in der Geschichte seltener Beweis elterlicher Zuneigung. Doch leider war es in dieser hart arbeitenden Gesellschaft schnell vorbei mit einer sorglosen Kindheit. Heranwachsende Kinder wurden schnell an Aufgaben
Bockspringen, Kalksteinfigur


Holzkatze- oder Löwe mit beweglichem Maul

 

herangeführt, die sie ein Leben lang erfüllen sollten. Da mussten schon kleine Kinder auf ihre noch jüngeren Geschwister aufpassen, Mädchen halfen ihren Müttern bei der Hausarbeit, Jungen wurden entweder in die Schule geschickt, oder wenn man sich das nicht leisten konnte, mussten sie auf Feldern arbeiten und ihr zukünftiges Handwerk erlernen.   So etwas wie die heutige "Teenager-Phase" gab es damals nicht. Mit dreizehn war man im heiratsfähigen Alter und die Mutter, welche vielleicht erst das dreißigste Lebensjahr überschritten hatte, fieberte ihrem ersten Enkelkind entgegen. Das Betreuen von Kindern, ob es nun die eigenen oder jüngere Geschwister, Enkel oder die Kinder von Freunden waren, spielte im Leben einer jeden Ägypterin die Hauptrolle. Leider wissen wir nur allzu wenig über diese verantwortungsvolle Tätigkeit. Aber aus den wenigen Zeugnissen, die man gefunden hat, geht stets hervor, das ägyptische Eltern liebevolle und gewissenhafte Beschützer ihrer Kinder waren und versuchten, ihren Kindern eine glückliche und sorgenfreie Kindheit zu ermöglichen.
Spielzeugpuppe