Es war in der ägyptischen Wüste, nicht
weit vom Ufer des Nils. Dort lebte einmal eine Herde wilder Ziegen.
Sie streiften durch die Gegend, und wenn sie Durst hatten, kamen sie
zum Fluss herunter und tranken. Eines Tages führten die Eltern ihre
Jungen aus und zeigten ihnen, wo sie Gräser finden konnten zur Nahrung.
Ein Junges aber war neugierig und konnte nicht warten, bis die Eltern
mit dem Zeigen fertig waren. Es machte sich selbständig und lief davon. |
Der Krieg zwischen den Katzen und den Mäusen Es war einmal eine wunderschöne Maus.
Die lebte in Ägypten. Sie hatte ein samtenes Fell und einen langen
Schwanz. Ihre Schnurrhaare standen breit von der Schnauze ab, und
die Augen glänzten rund und schwarz. Die junge Maus wurde von ihrer
Familie zärtlich geliebt, und das ganze Land verehrte sie. Ihr Ruf
drang bis zum König der Mäuse vor, und der hieß Pharao. |
Einmal hatten alle Tiere in Ägypten miteinander Krieg. Die Hunde rissen die Hyänen, der Geier holte die Gazelle, die Füchse brachten die Gänse um. Der Löwe fraß das Kälbchen vor den Augen seiner Mutter, das Nilpferd verschlang das Krokodil. Jedes Tier fürchtete sich vor dem anderen und hattekeine Ruhe bei Tag und bei Nacht. Da kamen sie überein, daß sie ein Reich gründen wollten mit einem König an der Spitze, und der soltle Frieden machen. Zum König wollten sie den Besten unter sich wählen. Die einen meinten, der Beste sei der Klügste, die andere meinten, der Beste sei der Stärkste. Sie konnten sich nicht einigen und hätten beinahe ihren Waffenstillstand schon wieder gebrochen. Da brüllte der Löwe über die Menge der Streitenden hinweg: „Laßt uns miteinander Brett spielen. Wer über alle siegt, der soll König werden.“ Und so taten sie es. Zuletzt spielten der Löwe
und der Steinbock. Beide spielten gleich gut. Der Steinbock hatte
die schwarzen Steine, der Löwe die weißen. Jeder hatte
noch einen einzigen Zug, und es schien, als ob das Spiel unentschieden
ausgehen sollte. Schon hielten sie die letzten Steine in der Luft
– aber ehe der Steinbock den seinen auf das Brett setzen konnte,
brüllte der Löwe ihn so heftig an, daß er vor Schreck
aufsprang und zur Tür hinauslief. Da erkannten die Tiere, daß
der Löwe der Klügste von allen war und der Stärkste
zugleich, und sie riefen ihn zum König aus. Seitdem ist der Löwe
der König der Tiere. |
Es war einmal ein Esel, der gefiel sich nicht mehr in seiner Haut. Er war es leid, täglich vom Feld seines Herrn Futter heimzutragen und nach der Ernte die Saat auszudreschen. So hing er sich eines Tages das Fell eines Panthers um und lief in die Wüste. Als ihn dort die Tiere sahen, ergriffen sie eilends die Flucht. Denn sie hielten ihn für einen gefährlichen Panther. Das gefiel dem Esel, denn nun konnte er fressen, soviel er wollte. Niemand machte ihm sein Futter streitig. Er hatte satt und war zufrieden. Eines Tages aber trabte eine Eselin durch die Wüste. Sie war hochbepackt mit Krügen aus Ton, die ihr Herr in der Stadt verkaufen wollte. Als der Esel die Stute sah, brüllte er vor lauter Freude laut auf und stürmte auf sie los. In ihrem Schreck riß die Eselin sich von ihrem Herrn los und stob davon. Die Krüge flogen in weitem Bogen von ihrem Rücken und klirrten in tausend Scherben auf den Boden. Der Mann, der den Esel an seiner Stimme erkannt hatte, fing ihn ein und verprügelte ihn so lange, bis er stöhnend niedersank. Danach fing er die Eselin wieder ein und führte sie ohne Ladung nach Hause zurück. Als der Esel zu sich kam, war guter Rat teuer. Er schämte sich, auf seinen Hof heimzukehren, und in der Wüste hatte er sich lächerlich gemacht. „Meine Stimme hat mich verraten“, dachte er bei sich. „meine Stimme soll mich retten. Niemand hat eine Stimme wie ich. Ich muß mir meine Stimme dienlich machen.“ Gedacht, getan. Der Esel nahm eine Harfe und zog als Bänkelsänger durchs Land. Überall, wo der Esel hinkam, waren die Leute von seiner Stimme entzückt und belohnten ihn reichlich. Er zog den Nil hinab, von Stadt zu Stadt, und gewann sich alle Tiere und Menschen zu Freunden. Bald traf er auf einen Löwen. Der war alt und schwach und nahe am Verhungern, weil er nicht mehr lange nach Beute jagen konnte. Nur seine Stimme war noch kräftig und schön. Das Langohr forderte ihn auf, mit ihm zu ziehen, und der Löwe schloß sich mit einer Leier an. Unterwegs trafen die beiden auf ein Krokodil, das die Hirten halb totgeschlagen hatten, weil es ein Boot mit Kleinvieh umgeschlagen und ein Kälbchen gefressen hatte. In seinem Schmerz brüllte es laut, und die beiden fahrenden Sänger erkannten seine kräftige Stimme. Sie nahmen es in ihre Kapelle auf und hießen es Laute spielen. Der Ruhm der Musikanten drang durchs Land, immer mehr Tiere und Menschen liefen herzu, um sie zu hören. Alle wurden bald so betört von dem Gesang, daß sie mitsingen mußten. Auch ein Affe lief herbei, der sich auf die Doppelflöte verstand und sehr geschickt tanzen konnte. Er dudelte mit und er tanzte, und nun war das Spiel vollkommen. Wenn immer die Tiermusikanten sich hören ließen, fingen alle zu singen und zu tanzen an und sie sangen und tanzten, bis die Tiere ihr Spiel beendet hatten. Das ging lange so, und das ganze Land stand in Freude. Eines Tages erreichte der Ruf der Tierkapelle selbst das Ohr des Großen Wesirs am Hofe des Pharao. Dieser Wesir aber war kein ehrlicher Mann. Er hatte einen armen Bauern ein Stück Land weggenommen und es seinem eigenen Land zugeschlagen. Nun kam der arme Bauer an den Hof des Königs und wollte dem Pharao sein Leid klagen und ihn um sein Recht bitten. Als der Wesir den Bauern erblickte, bekam er Angst und sann auf einen Ausweg. Da fiel ihm die Tierkapelle ein und er faßte einen Plan, wie sie ihm nützen sollte. Er schickte Leute aus, um die Tiermusikanten einzufangen. Nun war es aus mit Spiel und Tanz, und das ganze Land lag in Trauer. Als am anderen Tage der arme Bauer in der Audienz vor Pharao erschien, um seine Klage vorzutragen, da befahl der Wesir den Tiermusikanten, ihr schönstes Lied zu singen. Der Esel schlug die Harfe, der Löwe zupfte die Leier, das Krokodil spielte die Laute und der Affe blies die Flöte. Sobald die Tiere anhuben mit Musik und Tanz, fingen alle Leute im Audienzsaal an zu singen und zu tanzen. Und sie sangen und tanzten, bis die Zeit der Audienz um war und Pharao den Saal verlassen hatte. Dann befahl der Wesir den Tieren , mit ihrer Musik aufzuhören, und er sperrte sie wieder in ihren Käfig. Der arme Bauer aber hatte sein Recht nicht bekommen. Als er am nächsten Tage wieder in der Audienz vor Pharao erschien, um seine Klage vorzutragen, da befahl der Wesir der Tierkapelle wiederum zu singen und zu tanzen. Der Esel spielte die Harfe, der Löwe die Leier, das Krokodil die Laute und der Affe die Flöte. Sobald die Musik anhub, fingen die Leute im Audienzsaal an zu singen und zu tanzen. Sie sangen und sie tanzten, bis die Zeit der Audienz um war und Pharao den Saal verlassen hatte. Dann gab der Wesir den Tieren das Zeichen, mit ihrer Musik aufzuhören, und er sperrte sie wieder in ihren Käfig. Der arme Bauer aber hatte sein Recht auch diesmal nicht bekommen. Am andere Tage ging es wieder so und noch viele, viele Tage, und der arme Bauer wurde immer mutloser und war zuletzt ganz ohne Hoffnung. Traurig streckte er sich auf sein Lager nieder und weinte. Das sah der letzte Freund, den er noch im Leben hatte: sein Hauspavian. Er sprang zu seinem Herrn und fragte ihn nach seinem Leid. Als ihm der Bauer erzählt hatte, was ihm widerfahren war, faßte der Pavian im gleichen Augenblick seinen Entschluß. Er lief schnurstracks in die Königsstadt und schlich sich zum Käfig, in den die Tiermusikanten eingesperrt waren, nämlich der Esel, der Löwe, das Krokodil und der Affe. Der Pavian erklärte den Tieren, wie sie mißbraucht würden, und bat sie für seinen Herrn um Hilfe. Als nun am nächsten Tag der Wesir den Tierne wiederum das Zeichen gab – da blieben die Tiere stumm. Sie sangen nicht, sie musizierten nicht, sie tanzten nicht, so daß auch in der Audienzhalle keiner sang noch tanzte. Der arme Bauer konnte seine Klage gegen den Wesir von Anfang bis Ende vortragen, und jedermann vernahm das Unrecht. Danach hielt der Pharao Gericht. Er sperrte den Wesir in einen tiefen Kerker, gab dem armen Bauern sein Land zurück und das Land des Wesirs dazu. Die Tiere ließ er frei, lobte sie und verlieh ihnen Titel und Rechte von Hofmusikanten. Seitdem ist das Land wieder in Freude bis auf den heutigen Tag, und in vielen Tempeln wurde auf den Säulen das Bild der musizierenden Tiere angebracht zum ewigen Gedächtnis. |