Weisheitsliteratur


Kurze und knappe ägyptische "schlaue" Sprüche
Auszug aus den Lehren des Ani
Auszug aus der Spruchsammlung des Ankh-Scheschonki
Lhre für das Leben

 

 

 

 

Kurze und knappe ägyptische "schlaue Sprüche"

Wer sein Herz anhalten kann, braucht keine Weisung.

Das kleine Herz hält dich am Leben. Viele kleine Dingen verdienen Achtung. 
Auch eine kleine gute Tat bleibt dem Gott nicht verborgen. 
Eine kleine gute Nachricht erquickt das Herz. Ein kleines Dokument bringt bloßen Nutzen. 
Eine kleine Lüge bringt Kummer. 
Eine kleine Biene bringt Honig. 
Nur wenige große Dinge verdienen Bewunderung.

Wer wirklich schweigt, sich abseits hält, der gleicht dem Baum auf einer Wiese. 
Er grünt, er verdoppelt seine Ernte, er steht vor dem Angesicht seines Herrn. 
Seine Früchte sind süß, sein Schatten labend. 
Sein Ende kommt im Garten.

Las dich nicht von Sorgen ablenken. Wenn das Herz sich Sorgen macht, wirst du krank. 
Wenn die Angst dich erfasst, sucht das Herz den Tod. 
Wenn dein Herz gütig ist, dann ist kein Tag wie der andere.

Tue Gutes, und du gedeihst. Schreibe nichts auf, was andere schmerzt.

Wer gerne streitet, findet keine Ruhe. Meide den feindseligen Mann, nimm ihn nicht als Gefährten. 
Suche dir einen Freund, der gerecht ist, dessen Taten du gesehen hast. 
Wenn deine Tugend der seinen gleicht, ist eure Freundschaft harmonisch.

Das Herz eines Menschen ist eine Gabe Gottes, darum pflege es gut.

Der Bauch des Menschen ist größer als eine Kornkammer. 
Und mit allerlei Antworten gefüllt. Wähle die gute aus und sprich, 
und verschließe die böse in deinem Bauch!

Hab keine Angst vor dem Morgen: "Ach, was bringt der kommende Tag?" 
Der Mensch weiß nicht, was morgen sein wird. 
Nur Gott ist vollkommen, der Mensch ist voller Fehler.

Makellos ist das Herz und die Zunge des Weisen, dem Gott eine Freude. 
Dem Herzen des Toren ist der Auftrag des Gottes ein Joch. 
Dem Herzen des Toren ist die Arbeit des Gottes ein Scherz. 
Das Leben des Toren ist eine Last für den Gott. 
Das Schicksal des Menschen ist von Gott gesandt.

Hab keine Wut im Herzen. Wenn dein Zorn verraucht ist, kommt 
Er zurück und lobt dich. Wenn deine Worte das Herz erfreuen, ist das Herz ihnen gewogen. 
Schweig still, und unterwirf dich ihm.

Sanftheit bei jeder Gelegenheit ist die Tugend des Weisen.
Eine laute Stimme schadet dem Körper wie eine Krankheit.
Ein Rat an einen Narren hat so wenig Gewicht wie der Wind.
Der Weise wird für seine Ruhe gerühmt.
Gib nur selten Rat, wenn du nicht gefragt worden bist.

Was aus der Erde kommt, kehr zu ihr zurück.
Wer an das Gute denkt, der tut es.
Wer das Böse liebt, der wird es finden.

Die Worte der Menschen sind das eine. Die Taten der Götter das andere.
Sage nicht: "Ich habe nicht gesündigt!", um dann wieder Streit zu machen.

 

Auszug aus den Lehren des Ani
Weisheit aus dem Papyrus Boulaq IV, wahrscheinlich zu datieren in die 18. Dynastie, aber vor der Amarna-Zeit

Anfang der Erziehungslehre, die der Schreiber Ani vom Tempel der Ahmes-nofret-iri verfasst hat.
...
Hier gebe ich dir diese nützlichen Ratschläge, die du in deinem Herzen einsehen sollst; 
handle danach, dann wirst du glücklich sein, und alles Üble bleibt dir fern.
....
Wenn man bei seiner Antwort die Augen niederschlägt, 
dann bleibt die Zunge frei davon, dein Gegenüber zu schädigen.

Beherrsche dich, einem Beamten zu schaden, indem du eine geheime Nachricht weitergibst, 
die er in seinem Haus ausgesprochen hat. Mache es (das Haus) taub, 
so das nicht gehört wird, was gesprochen wird. 
Höre gar nicht, was dir gesagt worden ist. Du wirst es nützlich finden, dich ihm zu verschließen, 
es zu behalten wie etwas, was es gar nicht gibt.

....
Folge der alltäglichen Sitte .... und mache dich ans Pflügen, wenn es Zeit zum Pflügen ist.
....

Nimm dir eine Frau, solange du jung bist, sie soll dir einen Sohn bringen und Kinder bekommen, 
solange du noch ein junger Mann bist. Lehre du ihn (deinem Sohn) dann, 
ein Mann zu werden. Glücklich der Mann, der viele Kinder hat, 
er wird entsprechend seiner Kinderschar geachtet.

Feiere das Fest deines Gottes, wiederhole es zu seiner Jahreszeit. 
Gott zürnt, wenn sie (die Zeit) verpasst wird. Stelle Zeugen nach der Opferhandlung auf, 
wenn du sie zum ersten mal aufführst. Wenn man dann kommt, um deinen Erwerb zu überprüfen, 
dann lass dich in die Liste eintragen. Wenn dann die Zeit kommt, deine Erwerbung nachzuschlagen, 
dann wird sie den Ruhm deines Gottes erhöhen. Gesang, 
Tanz und Weihrauch sind seine Speise, Kniefall zu empfangen ist sein Reichtum. 
Tu das dem Gott, um seinen Namen groß zu machen, 
dann wird der Gott den Namen dessen, der so handelt, nennen.
.....

Hüte dich vor einer fremden Frau, die niemand in ihrer Stadt kennt. 
Starre ihr nicht nach, wenn sie vorbeigeht, erkenne sie nicht fleischlich. 
(Sie ist) ein tiefes Wasser, dessen Strömung man nicht kennt. eine Frau, die fern von ihrem Manne ist, 
"Ich bin glatt", sagt sie wohl täglich zu dir, wenn sie keinen Zeugen hat. 
So stellt sie ihre Fallen auf; aber es ist großes todeswürdiges Verbrechen, 
wenn es herauskommt, weil ihr Mund es nicht hat behalten können.
....

Spende Trankopfer für deinen Vater und deine Mutter, die im Friedhof ruhen. 
Diese Handlung ist ein Ausweis für dich bei den Göttern, und sie werden sagen "Angenommen!" 
Vergiss auch nicht den, der außerhalb steht: 
Er wird dafür sorgen, das dein Sohn dir das Gleiche erweist.

Übernimm dich nicht beim Biertrinken, damit man nicht über dich redet und ein Genosse berichtet, 
was du geschwätzt hast, ohne das du dich erinnerst, es gesagt zu haben. 
Fällst du dann hin und verletzt dich, dann ist keiner da, der dich bei der Hand nähme; 
deine Trinkkumpane stehen nur dabei und sagen "Weg, du Säufer!". 
Kommt dann jemand, um sich bei dir einen Rat zu holen, 
dann findet er dich am Boden liegen, als ob du ein kleines Kind wärst.
....

Hüte dich vor der Sünde des Betruges, vor Worten die nicht wahr sind: 
Bekämpfe das Falsche in dir. Ein Ellbogen Mensch wird nicht im Grabe ruhen. 
Weiche deshalb einem Aufsässigen Manne aus, mache ihn dir nicht zum Gefährten. 
Verbinde dich vielmehr mit einem aufrichtigen und gerechtem Mann, 
einen Mann, dessen Handlungen du beobachtet hast. 
Wenn dann deine Aufrichtigkeit der seinen gleichkommt, dann wird die Freundschaft Bestand haben.
.....

Hiermit lehre ich dich, wie ein Mann vorgehen muss, der sich ein Haus gründen will. 
Lege dir einen Garten an und umzäune ihn dir mit einem Gurkenbeet zusätzlich zu deinem Ackerland. 
Bepflanze ihn mit Bäumen, die den Bezirk um dein Haus abdecken. 
Fülle deine Hand mit allerlei Blumen, die dein Auge erblickt. 
Man würde sie alle vermissen - es ist gut, keine zu verlieren.
....

Du sollst nicht deine Frau in ihrem Haus beaufsichtigen, wenn du weißt, das sie tüchtig ist. 
Sage nicht "Wo ist denn das ? Bring es her!" wenn sie es an die richtige Stelle getan hat. 
Lass sie dein Auge beobachten und schweige, dann wirst du ihre Geschicklichkeit kennenlernen. 
Welche Freude, wenn sie dann deine Hand empfängt! Aber viele hier wissen das nicht. 
Wenn ein Mann dem Streit in seinem Haus ein Ende setzt, dann wird er feststellen, 
das der Zank nicht wieder anfängt. 
Jeder, der eine Familie gründen will, muss sein hitziges Temperament zügeln. 
So geh also nicht (immer) hinter der Frau her und vermeide, das sie dich (deswegen) tadelt.

 

Auszug aus der Spruchsammlung des Ankh-Scheschonki
demotischer Papyrus aus dem 1. Jahrhundert v. Ch.,
das Werk an sich ist wahrscheinlich älter

Geh nicht fort, wenn du geschlagen worden bist, auf das dein Leid nicht verdoppelt wird.
.....
Säume nicht, dir einen Diener und eine Dienerin anzuschaffen, wenn du dazu in der Lage bist.
.....
Ein unbedeutender Mann, der protzig auftritt, wird sehr verachtet. 
Ein unbedeutender Mann, der bescheiden auftritt, erntet großes Lob.
.....
Sage nicht: "Ich habe gelernt."; mach dich (lieber) daran, weise zu werden.
.....
Nimm nicht eine Frau, deren Ehemann noch lebt, damit er nicht dein Feind wird.
.....
Sage nicht: "Sieh das Grundstück meines Bruders an.", sieh auf dein Eigenes.
.....
Wohne nicht mit deinen Schwiegereltern zusammen in einem Haus.
.....
Zufriedener ist einer, der auf dem Felde auch ruht, als einer, der die Zeit in der Stadt zubringt.
.....
Betrinke dich nicht zu oft, damit du nicht den Verstand verlierst.
.....
Wer seinen Speichel in den Himmel spuckt, dem fällt er ins Gesicht.
.....
Der Charakter eines Mannes wird bestimmt durch seinen Umgang.
.....
Wen ein Weiser gezüchtigt hat, der ist gar nicht gezüchtigt worden.
.....
Jeder Mensch kann ein Vermögen erwerben; ein Weiser ist, der es auch zu bewahren versteht.
.....
Eine Frau belehren heißt, einen Sandsack füllen, der an der Seite aufgeschlitzt ist.
.....
Hab keine Angst, eine Sache durchzuführen, in der du im Recht bist.
.....
Wenn ein Gärtner Fischer wird, gehen seine Bäume zugrunde.
.....
Wer sich hinter seinem Herrn versteckt, wird bald hundert Herren haben.
.....
Eine Frau lässt sich beiwohnen je nach dem Charakter ihres Mannes.
.....
Wer mit einer verheirateten Frau auf dem Bett schläft, 
mit dessen Frau wird ein anderer auf dem Boden schlafen.
.....
Es ist schöner im (eigenen) kleinen Haus zu wohnen als im großen Haus eines anderen.
.....
Sei nicht eifrig in allerlei (fremden) Angelegenheiten und dann lässig in deinen eigenen.
.....
Trunkenheit von Gestern löscht nicht den Durst von gestern.
.....
Wähle für deine Tochter einen klugen Mann, nicht einen reichen.
.....

 

Lehre für das Leben
(übersetzt von Erik Hornung)

Beginn der Sprüche der "Schönen Rede",
die der Fürst, Graf usw.
der Bürgermeister und Wesir Ptahhotep verfertigt hat,
so daß er den Unwissenden zum Wissenden erzieht
nach den Regeln der Redekunst,
als ein Segen für den, der es beherzigen wird,
als ein Fluch für den, der es nicht beachtet.
So sprach er zu seinem Schüler:

I

Sei nicht eingebildet auf dein Wissen,
(sondern) unterhalte dich mit dem Unwissenden wie mit dem Wissenden,
Nie erreicht man die Grenze der Kunst,
und es gibt keinen Künstler, dem Vollkommenheit eignet,
Die Redekunst ist verborgener als ein kostbarer Stein,
(aber) man kann sie bei den Diennerinnen über dem Mahlstein finden.

II

Wenn du einem Mann im öfftlichen Disput triffst,
in führender Stellung und angesehener als du,
dann beuge deinen Arm und krümme deinen Rücken.
Fordere ihn nicht heraus, dann kann er dich nicht zurechtweisen
(Aber) wenn er dich erniedrigt durch schlechte Reden,
unterlaß nicht, ihm (auch) in der Öffentlichkeit entgegenzutreten
so daß er als jemand dasteht, der nichts von der Sache versteht -
dann ist seine Macht durch deine Selbstbehersschung ausgeglichen.

III

Wenn du einen Mann im öffentlichen Dienst triffst,
einen deinesgleichen, der dir gleichgestellt ist,
laß ihn deine Überlegenheit durch Schweigen spüren,
wenn er schlechte Reden führt
Dann ist sein Tadel bei den Zuhörern groß,
dein Name aber ist angesehen bei den Beamten des Hofes.

IV

Wenn du einen Mann im öffentlichen Dienst trisst als Elenden,
der nicht deinesgleichen ist,
dann sei nicht zornig gegen ihn, weil er elend ist.
Laß ihm seinen Lauf, dann wird er sich selber bloßstellen.
Gib ihn nicht Antwort, (nur) weil er dich drängt,
und schaffe dir nicht Genugtuung, weil er dein Feind ist.
Einen Armseligen zu schädigen, zeugt von niedriger Gesinnung.
Man wird (ohnehin) deiner Meinung folgen -
so schlägst du ihn mit der Zurechtweisung durch die Beamten.

V

Wenn du jemand in leitender Stellung bist,
der für viele zu sorgen hat,
dann bemühe dich um lauter Vortrefflichkeit,
so daß dein Verhalten ohne jeden Tadel ist.
Groß ist die Gerechtigkeit, dauernd und wirksam!
Sie ist nicht verwirrt worden seit der Zeit des Osiris,
und man bestraft den, der (ihre) Gesetze mißachtet.
Der Habgierige beachtet (zwar) nicht,
und Gemeinheit rafft Schätze zusammen,
(aber) nie ist das Unrecht "gelandet" und hat überdauert
Ist das Ende da, bleibt nur das Recht