Einleitung

 

Erst in den letzten Jahren wurde die Rolle der Frau in der altägyptischen Gesellschaft und Wirtschaft ernsthaft untersucht. Diese Vernachlässigung ist wohl darauf zurückzuführen, daß ein Großteil der Ägyptologen bis in jüngste Vergangenheit aus Männern bestand, die an dieser Thematik eher nicht interessiert waren. Andererseits herrscht bei den erhaltenen Belegen auch eine Art von männlichem „Übergewicht“, denn die meisten Funde stammen doch aus Grabanlagen von Männern der Führungsschicht, aus von Männern dominierten religiösen Denkmälern und aus hauptsächlich von Männern verfaßten Texten.

Bildquelle: "Alltag im alten Ägypten von Manfred Reitz"
Musizierende und tanzende Mädchen, Grab des Nacht, Theben


Daher muß die eigentliche Rolle, die die ägyptische Frau spielte, sorgfältig aus den Aufzeichnungen entschlüsselt werden, die ihre Ehemänner, Väter, Brüder und Söhne hinterlassen haben. Zwar gibt es einige wenige erhaltene Dokumente, von denen man vermutet, sie wären von Frauen geschrieben worden, doch kennen wir bisher keinen altägyptischen Text, den man mit Sicherheit einer Frau zuschreiben kann. Selbst wenn Frauen wie Hatschepsut und Sobeknefru, das höchste Amt im alten Ägypten bekleideten, wurden sie als Männer dargestellt, denn eigentlich konnte ja nur ein Mann Pharao werden.

Bildquelle: "Alltag im alten Ägypten von Manfred Reitz" Ausgrabungen auf Friedhöfen brachten ein wenig Licht in das Dunkel und wir verdanken ihnen eine große Fülle von Daten bezüglich der biologischen Anthropologie der männlichen wie weiblichen Mitglieder der Gesellschaft, die des Lesens und Schreibens unkundig waren, was etwa 99 Prozent der damaligen Bevölkerung entspricht. Zudem gewähren jüngste Ausgrabungen in Siedlungen wie El-Amarna, Memphis und Tell El-Dab´a erste Einblicke in Themen wie Ernährung, Arbeitsmethoden, Wohnweise, Ausbildung und Hygiene;
Teil einer Wandmalerei mit musizierenden Mädchen
sie alle können dazu beitragen, die Aktivitäten von Frauen durch den Neben von vielen tausenden von Jahren sichtbar zu machen.


Auch in Religion und Mythologie der alten Ägypter finden sich viele Hinweise auf deren Einstellung zu Frauen und Weiblichkeit. Die Göttin Isis galt z.B. als die ideale Gattin und Mutter, während Hathor der Inbegriff weiblicher Sexualität und Fruchtbarkeit war. Viele der Göttinnen konnten jedoch auch die negativen, zerstörerischen Aspekte des Weiblichen verkörpern, wie etwa in Gestalt des Auges des Re, der Tochter des Sonnengottes, die ausgeschickt wurde, das Menschengeschlecht zu vernichten.

Allerdings ist es kaum anzuzweifeln, trotz der häufigen Darstellungen von Frauen in der ägyptischen Kunst, daß ihre Stellung auf allen gesellschaftlichen Ebenen im allgemeinen niedriger war als die der Männer. Die politische Struktur Ägyptens wurde eindeutig von der männlichen Schreiberelite beherrscht und Frauen erhielten nur sehr wenige Möglichkeiten, offen an der Verwaltung oder an öffentlichen Zeremonien mitzuwirken. Andererseits müssen Frauen, wie beispielsweise die Königin Teje,
Teil einer Wandmalerei mit musizierenden Mädchen
Bildquelle: "Alltag im alten Ägypten von Manfred Reitz"
Gemahlin Amenhotep III., ungeachtet ihrer Rechte als Frau, aufgrund ihrer sozialen Stellung vermögend und einflußreich gewesen sein.


Zwar waren Frauen gewöhnlich nicht Teil der politischen oder administrativen Hierarchie, doch konnten sie doch in gewissen Lebensbereichen in verschiedenen Epochen außerhalb ihres Heimes tätig werden. So z.B. als Bäckerinnen, Weberinnen, Musikerinnen, Tänzerinnen, Priesterinnen, Gärtnerinnen und Bäuerinnen. Sie konnten auch Geschäfte abschließen, Eigentum erben, Land besitzen und pachten sowie Klage vor Gericht erheben. Mit anderen Worten: Juristisch und wirtschaftlich gesehen, verfügten Frauen über Rechte und Freiheiten, die sich von denen der Männer nicht sehr unterschieden. Allerdings gab es dennoch zahlreiche Unterschiede. So galt z.B. für Männer eine andere Moral wie für Frauen, so daß ein verheirateter Mann, der beim Ehebruch ertappt wurde, ungeschoren davonkam, während die Untreue von Frauen als moralisch verwerflich galt.

Bildquelle: "An den Ufern des Nils von Edda Bresciani"
die weiblichen Gäste eines Banketts werden gastfreundlich empfangen;
Grab des Rechmire, 18. Dynastie, Theben

Wie auch in den meisten anderen Kulturen unterscheieden sich auch die ägyptischen Frauen von den Männern durch Aspekte ihres Äußeren, wie Kleidung und Haar. In der ägyptischen Kunst wurden nicht nur die Körperproportionen von Mann und Frau idealisiert, sondern auch ihre Hautfarbe bestimmt. Männer erkennt man an ihrem rötlich-braunen Hautton, während Frauen mit einem blasseren gelblich-braunen Teint dargestellt werden. Man führt diesen Unterschied darauf zurück, daß Frauen mehr Zeit im Haus verbrachten und somit vor der Sonne geschützt waren. Erhärtet wird diese Theorie dadurch, daß auch die Haut einiger bedeutender Beamter des Alten Reiches, deren hohe Stellung sie zweifellos vor jeglicher Arbeit im Freien bewahrte, blasser dargestellt wurden.

 

Bildquelle: "Frauen im alten Ägypten von Peter H. Schulze" Die Stellung und Wahrnehmung der Frauen in der ägyptischen Gesellschaft war keineswegs gleichbleibend, denn es kam während der gesamten Epoche der ägyptischen Hochkultur zu entsprechenden Veränderungen. So gab es z.B. Hinweise darauf, daß im Alten Reich mehr Frauen an Tempelritualen beteiligt waren und Verwaltungstitel trugen, als in späterer Zeit. Im späten Neuen Reich durften Frauen sogar an geschäftlichen Transaktionen mitwirken.
Fragment aus den Prinzessinnengräbern


Diese Veränderungen erwecken allerdings weder den Eindruck von Fortschritt oder „Emanzipation“ noch hat man das Gefühl, das Schicksal der Frauen habe sich insgesamt über die Jahrhunderte hinweg verbessert. Vielmehr entsteht der Eindruck, daß Rolle und Auftreten der altägyptischen Frau außerhalb von Heim und Familie einfach an die Veränderungen der Gesellschaft insgesamt angepaßt wurden.

Bildquelle: "Frauen im alten Ägypten von Peter H. Schulze"
Grabgemälde aus dem 12. Jh. v. Chr. Als stolze Großeltern präsentieren Inherka und seine Gemahlin ihre Enkel

Ein Auszug aus den Lehren des Ptahhotep zeigen deutlich die Einstellung und das Verhalten gegenüber Frauen.

“Wenn du ausgezeichnet bist,
dann gründe einen Hausstand
und liebe deine Frau, wie es ihr gebührt:
Fülle ihren Leib,
kleide ihren Rücken;
Salböl ist Balsam für ihre Glieder.
Mache sie glücklich, so lange du lebst!
Ein fruchtbarer Acker ist sie für ihren Herrn.
Streite nicht mit ihr vor Gericht.
Vermeide, daß sie Macht bekommt,
halte sie in Schranken;
ihr Auge ist ihr Sturmwind, wenn sie etwas sieht.
So kannst du sie in deinem Hause halten:
Gebiete ihr Einhalt.“