Königinnentum

Königsfrauen
"Thronerbinnen-Theorie"
Vater-Tochter Ehen
Diplomatische Ehen
Thronfolge

 

 

 

 

Königsfrauen
Für den uns geläufigen Begriff „Königin“ gibt es kein entsprechendes ägyptisches Wort und daher ist die Verwendung dafür mit Vorsicht zu genießen. Die ägyptischen Texte heben allerdings eine Reihe von bedeutenden Frauen, die durch ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zum König definiert sind, hervor. Uns sind drei Haupttypen von „Königinnen“ bekannt:

- Große Königliche Gemahlin: hemet nesw weret
- Königsmutter: mwt nesw
- Königsgemahlin/nen: hemwt nesw


Die Große Königliche Gemahlin scheint in der politischen und religiösen Hierarchie gleich hinter dem König gestanden zu sein und ist oft auf Monumenten zusammen mit ihm abgebildet. In besonders seltenen Fällen, wie etwa bei Nofretete, wird die „GKG“ auch allein dargestellt. Die Königsmutter war ein wichtiges Mitglied der königlichen Familie und wurde wie die Hauptgemahlin und zuweilen auch mit der Königstochter mit dem Pharao zusammen auf seinen Monumenten abgebildet. Alle anderen Frauen fielen in die Kategorie Königsgemahlinnen und lebten für gewöhnlich im Harim des Pharao. Zu dieser Art von Gemahlin gehörten ab dem Neuen Reich auch oft ausländische Prinzessinnen, die aus diplomatischen Gründen geheiratet wurden.

Ihr Ansehen leiteten die königlichen Frauen von ihrer Beziehung zum Pharao ab, denn dessen Amt war von grundlegender Bedeutung für die Existenz des Staates Ägypten selbst. Der Pharao fungierte als Vermittler zwischen der göttlichen und der menschlichen Welt und vollzog im Grunde die Rituale in den Tempeln, die notwendig awaren, um die Welt in Gang zu halten. Außerdem verkörperte er den Staat und trug die letzte Verantwortung für die Regierung des Landes. Jedoch unterstanden alle diese Dinge der Maat – der Weltordnung – und auch der Pharao, als Herrscher über alles irdische Leben, war ihr unterworfen. Da das Königtum ursprünglich vom Vater auf den Sohn übertragen werden sollte, heirateten die Herrscher und zeugten Familien, um die Thronfolge zu sichern. Nicht nur deswegen finden wir in der unmittelbaren Umgebung des Königs eine ganze Reihe von königlichen Frauen, wie etwa die Mutter des Königs, seine Frauen und natürlich seine Töchter.

Quelle Bild links: Nofret - Die Schöne. Die Frau im Alten Ägypten Der Status von königlichen Frauen wurde seit der Frühzeit durch Bezugnahme auf den Pharao bestimmt, wie uns die Titel „Mutter des Königs“, „Ehefrau des Königs“, „Königstochter“ sowie später auch „Hauptfrau des Königs“ und „Königsschwester“ eingehend zeigen. Da auch die Königsfrauen ein Bestandteil des göttlichen Königtums waren, gehörten natürlich auch eine ganze Reihe von ihren Insignien zur ihrer Darstellung. Eines der ältesten bekannten Stücke ist die Geierhaube, eine eng anliegende Kappe, dem Körper eines Geiers nachempfunden, dessen Flügel sich zu beiden Seiten des Kopfes der Trägerin ausbreiten, während sein Kopf von ihrer Stirn absteht. Seit dem Alten Reich ist jedoch bekannt, daß in einigen Fällen die Uräsusschlange, d.h. die „Königliche Kobra“, den Kopf des Geiers ersetzen konnte. Ursprünglich wurde diese Haube von der Geiergöttin Nechbet, der Schutzgöttin Oberägyptens, getragen, wenn diese in menschlicher Gestalt erschien.
Sitzfigur der Königin Tuj, Granit, aus Tanis, Mittleres Reich, in der 19. Dynastie (Neues Reich) umgearbeitet und wiederverwendet

Auch konnten die „Königinnen“ die Uräusschlange allein als Kopfschmuck tragen, wobei dies scheinbar erst im Mittleren Reich üblich wurde. Mit der Uräusschlange verbanden sich viel Assoziationen, bei der die grundlegendste die mit der oben erwähnten Kobragöttin Wadjit war. Diese wurde auch oft mit dem Sonnengott re und der Göttin Hathor assoziiert, denn Hathor galt als das Auge des Re, welches durch seine heftige Angriffskraft den König und die Götter vor seinen Feinden schützte. Außerdem war die Uräusschlange das hervorstechenste Kennzeichnen eines Pharao, da sie mit zu seinen Insignien gehörte und ebenfalls auf seiner Krone eingearbeitet war. Wenn sie also auch von der „Königsfrau“ getragen wurde, so könnte dies ihre persönliche Verbindung zum König ableiten oder ein Zeichen ihrer Königswürde sein. Ab der späten 18. Dynastie konnte die Uräusschlange auch mit den Kuhhörnern und der Sonnenscheibe Hathors geschmückt sein, was wohl die Verwandtschaft zur Göttin Hathor noch betonen sollte.

Während der 18. Dynastie begannen die königlichen Frauen sogar zwei Uräusschlangen nebeneinander zu tragen. Diese Kombination wurde als „doppelter Uräus“ bezeichnet und als naheliegender Grund hierfür wurde die Verbindung in Form der beiden Göttinnen Nechbet und Wadjit gesehen, die ja für Ober- und Unterägypten standen. Auch entwickelten sich zu dieser Zeit noch kunstvollere Kombinationen zwischen Geierhaube, Geierkopf und einzelner bzw. doppelter Uräusschlange. Zur Zeit der 13. Dynastie tauchen auch immer wieder Darstellungen von Doppelfederkronen an Königinnen auf, wobei deren Ursprung allerdings unklar ist. Auch das Anch-Zeichen wir seit dem Alten Reich häufig von einer Königin auf Kultdarstellungen getragen oder in der Hand gehalten.

 

"Thronerbinnen-Theorie"

Immer wieder taucht die These auf, daß das Anrecht auf den Thron im alten Ägypten durch die weibliche Linie der Königsfamilie weitervererbt worden wäre – also in einer direkten Folge von einer „Thronerbin“ zur nächsten. Demnach müsste jeder Sohn, ob Sohn seines Vorgängers oder nicht, seinen Anspruch auf den Thron durch eine Heirat mit der „Thronerbin“ legitimieren. Dies würde bedeuten, daß der jeweilige Thronfolger in den meisten Fällen seine Schwester oder Halbschwester heiraten mußte.

Sollte diese Theorie zutreffen, dann hätte jeder König eine Frau von königlicher Herkunft heiraten müssen und demnach sollte es auch möglich sein, eine Linie direkt voneinander abstammender königlicher Frauen zu ziehen. Anhand der 18. Dynastie, die oft beispielgebend für eine solche „Thronerbinnen“-Theorie gesehen wird, können wir jedoch deutlich erkennen, daß eine solche Linie einfach nicht existiert. Legen wir das einmal näher fest: Eine Frau von königlicher Geburt kann durch den Titel „Königstochter“ eindeutig identifiziert werden, auch weil es in der 18. Dynastie keinen Nachweis über Frauen mit bürgerlicher Abstammung gibt, denen dieser Titel zugeschrieben wurde. Wir können rekonstruieren, daß einige „Königinnen“ der 18. Dynastie den Titel
„Königstochter“ tragen, während wiederum andere dies nicht tun. Obwohl die Herkunft einer Königsfrau selten erwähnt wird, werden königliche Gemahlinnen, deren bürgerliche Abstammung uns bekannt ist, nicht mit dem Titel „Königstochter“ bezeichnet. Somit können wir also ausschließen, daß dieser Titel manchmal Frauen von bürgerlicher Abstammung verliehen wurde, um ihren Rang zu erhöhen und daher zwischen „reiner“ und „bürgerlicher“ Königsfrau zu unterscheiden. Widerlegen kann man diese Theorie übrigens nur mit dem Hinweis, daß die Hauptfrauen von Thutmosis II und Amenophis III. nicht königlicher Herkunft waren. Es wird also deutlich, daß es keinen kontinuierlichen Stammbaum der „Thronerbinnen“ gibt.
Oberteil einer Königinnen-Statue, Kalkstein, aus Karnak, Statuen-Cachette, 19. Dynastie
Quelle Bild rechts: Nofret - Die Schöne. Die Frau im Alten Ägypten

Zweifellos gibt es einige Fälle, in denen ein Pharao seine Schwester oder Halbschwester heiratete und Kinder von ihnen bekam, jedoch lässt sich dies eben nicht lückenlos für alle Herrscher nachweisen. Auch in ägyptischen Texten gibt es keinerlei Hinweise darauf, daß überhaupt eine Art von „Thronerbin“ existierte.

 

Vater-Tochter-Ehe

Als Beispiel für einen Vater, der neben seinen Schwestern auch seine Töchter heiratete, können wir den Pharao Amenhotep III. sehen. Es gibt jedoch auch einige andere, wie etwa Ramses II. und vermutlich auch Echnaton. So wird z.B. Sitamun, die älteste Tochter von Amenhotep III. und Teje, als „Ehefrau des Königs“ und sogar als „Hauptfrau des Königs“ bezeichnet. Den letzteren Titel trägt sie allerdings nur in Abwesenheit ihrer Mutter, denn auf Darstellungen, auf denen alle drei Personen – Pharao, Gemahlin und Tochter – erscheinen wird sie „nur“ mit als „Ehefrau des Königs“ betitel.

Quelle Bild links: Nofret - Die Schöne. Die Frau im alten Ägypten Umstritten ist jedoch ob auch Echnaton seine Töchter ehelichte. Es tauchen nämlich zwei Töchter des Königs – Meritaton und Anchesenpaaton – als Mütter von Königstöchtern auf, die Meritaton tascherit bzw. Anchesenpaaton tascherti, was soviel heißt wie „Die Jüngere“. Eine dritte Tochter – Maketaton – starb wahrscheinlich am Kindbett. Da der Vater jener Kinder leider nirgendwo benannt ist und dies beiden erstgenannten Töchter der Mädchen Echnatons ebenfalls den Titel „Königstochter“ tragen, ist man geneigt anzunehmen, daß sie Töchter eines Königs und somit Echnatons Töchter waren. Jedoch gibt es Vermutungen, daß auch die Tochter eines Königssohnes ebenfalls „Königstochter“ genannt werden konnte. Es ist zwar umstritten, ob Echnaton selbst Söhne hatte, doch wäre er daher nicht zwangsläufig der Vater der mysteriösen Kinder.
Statuette einer Prinzessin, Quarzit, aus Amarna (Atelier des Thutmosis), 18. Dynastie

Interessant ist auch, daß keine der nachgewiesenen Königstöchter Echnatons den Titel „Ehefrau des Königs trug. Zwar wurde Meritaton gegen Ende der Herrschaft ihres Vaters „Hauptfrau des Königs“, doch geschah dies wohl einige Zeit nach der Geburt ihrer Tochter. Leider gibt es somit zu viele Lücken in unserem Quellenmaterial, als daß wir bestimmen könnten, ob Echnaton die Kinder seiner Töchter zeugte oder nicht.

Unter Ramses II. gibt es da schon eindeutigere Belege, wie im Falle der drei Töchter Bintanat, Meritamun und Nebet-taui, die allesamt Hauptfrauen des Königs waren. Besonders Bintanat ist durch Denkmäler oftmals bezeugt und erscheint wie ihre „Kollegin“ Sitamun gelegentlich neben ihrer Mutter, der damaligen Hauptfrau Isisnofret. In ihrem Grab wird Bintanat in einer Szene gezeigt, in der ihr eine Königstochter folgt und da es bekannt ist, daß Bintanat in der Mitte der Regierungszeit Ramses II. dessen Frau wurde, ist es unwahrscheinlich, daß ein anderer als Vater in Frage käme als er selbst. Nach dem Tode ihres Vaters war Bintanat wahrscheinlich zu alt um ihrem Bruder und Nachfolger des Pharao – Merenptah – noch Kinder zu gebären.
Gruppenstatue des Echnaton mit einer Königin, Kalkstein, Amrana aus dem Atelier des Thutmosis, 18. Dynastie
Quelle Bild links: Nofret - Die Schöne. Die Frau im alten Ägypten

 

Diplomatische Ehen

Während der 18. und 19. Dynastien heirateten einige Pharaonen aus diplomatischen Gründen ausländische Prinzessinnen, um sich mit dem jeweiligen Herrscher eines Landes in verwandtschafliche Beziehung zu begeben, was politisch oftmals von Vorteil sein konnte. Derartige Fälle hierfür gibt es genug: Beispielsweise wären da die drei Frauen von Thutmosis III. – Menhet, Mertit und Menwaj – deren Grab Anfang des Jahrhunderts entdeckt wurde und die wohl ursprünglich aus der Gegend von Syrien oder Palästina stammten.

Alles begann, als die Tochter des mitannischen Königs Artatamas, Thutmosis IV. zur Frau gegeben wurde, um den geschlossenen Frieden zwischen dem Mitannireich und Ägypten zu bekräftigen. Jahrzehntelang hatte es Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Reich gegeben, die aber nun beendet waren. Nach dem Tode Thutmosis IV. führte sein sein – Amenhotep III. – diese raffinierte Heiratspolitik fort, indem er die Allianz durch die Heirat mit Giluchepa, der Tochter des nächsten Mitannikönigs Sutarna, erneuerte. Gegen Ende der Regierungszeit Amenhotep III. starb Sutarna, woraufhin der Pharao sofort an den neuen König von Mitanni schrieb und um die Hand von dessen Tochter bat. Genau das selbe passierte mit den Heiratsbeziehungen Amenhotep´s nach Babylonien. Erst heiratete er die Tochter Kurigalzus II. von Babylon und später verlangte er die Tochter von dessen Nachfolger Kadaschman-Enlil I.. Scheinbar wurden also diese Heiratsallianzen nicht zwischen zwei Staaten, sondern immer zwischen zwei Herrschern getroffen und wenn dieser starb, mußte man folglich die Allianz durch eine neue Ehe wiederherstellen.

Betrachtet man einige dieser diplomatischen Ehen genauer, wird klar, daß es zwei Arten davon gab. Bei der ersten war der Brautvater und Herrscher des jeweiligen Reiches dem ägyptischen Pharao gleichrangig und man nannte einander „Bruder“. Bei der zweiten Variante war der Vater der Braut ein Vasall des ägyptischen Königs, den er als „mein Herr, mein Gott, mein Sonnengott“ anzureden hatte. Die Braut in der 2. Variante war somit wohl nicht mehr eine Geisel, die als Zeichen der Unterwerfung ihres Vaters nach Ägypten entsandt wurde.

Besonders bemerkenswert aber ist die Geschichte einer hethitischen Prinzessin, die Ramses II. ehelichte und bei der Hochzeit den ägyptischen Namen Maathorneferure und den Titel „Hauptfrau des Königs“ erhielt. Dies erreichte nach unseren bisherigen Erkenntnissen keine andere ausländische Prinzessin und es ist auch möglich, daß der hethitische König und Brautvater auf diesen Rang als Teil der Heiratsvereinbarung bestand. Allerdings stellt der Fall der Maathorneferure jedoch eindeutig eine Ausnahme dar. Viele der ausländischen Frauen hatten vermutlich kein angenehmes Leben. Sie fanden sich plötzlich in einer fremden Gesellschaft, weit weg von ihren Familien und vielleicht sogar nicht einmal der Landessprache mächtig wieder und waren ihrem neuen „Herrn“ hilflos ausgeliefert. Ein kleiner Fürst konnte als Untertan Ägyptens schwerlich danach fragen, wie der Pharao seine Tochter oder Schwester behandelte und so verschwanden viele dieser Frauen spurlos im Harim und man hörte nie wieder etwas von ihnen.

 

Thronfolge

Aufgrund der Vielzahl der Ehefrauen eines Pharao konnte man auch annehmen, daß diesen Verbindungen auch viele Kinder entsprangen. Das eindrucksvollste Beispiel stellt in diesem Falle wohl wieder einmal das des Pharao Ramses II. dar, der sich rühmte über 100 Kinder gehabt zu haben. Nach neuesten Vermutungen dürfte dies wohl sogar noch eine Untertreibung gewesen sein.

Quelle Bild links: Nofret - Die Schöne. Die Frau im alten Ägypten Wenn ein Königskind geboren wurde, entscheid sein Geschlecht sofort über seinen zukünftigen Platz im Leben. Jeder Sohn wurde als potentieller Thronerbe gesehen und mußte eine Erziehung erhalten, die einem künftigen Herrscher angemessen war. Zwar besaß eine Tochter keine Aussichten auf die Thronfolge, doch waren diese wohl künftige „Königsfrauen“ und mit der Königsmutter sowie der Hauptfrau des Königs bildeten sie eine Dreiheit von Mutter, Gattin und Tochter, die die drei Aspekte der Hathor in ihrer Beziehung zum Sonnengott Re wiederspiegelte. Diese enge Verbindung zwischen den königlichen Frauen gestattete es den Königstöchtern, gelegentlich mit ihren Vätern zusammen auf Ritualszenen zu erscheinen, auf denen man für gewöhnlich auch die Mutter oder die Ehefrau des Königs darstellte.
Gruppenstatue einer Königin mit Prinz, Schiefer, Karnak aus der Statuen-Cachette, 19. Dynastie

Dagegen hatten Königssöhne keine rituelle Rolle während der Regierungszeit ihres Vaters und werden sogar sehr häufig unter der Herrschaft ihrer Brüder überhaupt nicht erwähnt. Dies liegt wohl mit daran, daß es in der Mythologie des Königtums nur einen Erben, einen „Horus-im-Nest“ gab. Es gab zwar offiziell nur einen sehr geringen Spielraum für die Beteiligung bzw. Einmischung von Frauen bei der Thronfolge, doch gelang es mit Sicherheit oftmals einer mächtigen Königsmutter, Königsgattin oder auch einer Lieblingsfrau des Königs in die Wahl des Thronerben aktiv einzugreifen. Hier wurde auch vor Intrigen und sogar Mord nicht zurück geschreckt, wie beispielsweise die berühmte „Haremsverschwörung“ zeigt., welche sich unter der Regierung von Ramses III. ereignete.