Götterkönige

 

In der altägyptischen Vorstellung, ihre Gottheiten seien ähnlich strukturiert wie ihre - also die menschliche - Gesellschaft, gab es auch das Phänomen eines Königtums unter den Göttern selbst. So konnten gewisse Götter königliche Attribute und Rollen übernehmen, ganz so wie die Pharaonen auf der Erde. Diese Vorstellung von einem "König der Götter" war in der ägyptisch theologischen Entwicklung von großer Bedeutung. Auf dem Turiner Königspapyrus, auf welchem eine Königsliste enthalten ist, beginnt diese mit einer Dynastie von 11 Gottheiten, die nacheinander und insgesamt 7700 Jahre über Ägypten herrschten. Der erste Herrscher war Re, der so zum König der Götter und Menschen wurde. Als Re sich nach einer langen Herrschaft

aus den Regierungsgeschäften sozusagen zurückzog, führten die göttlichen Nachfahren des Re die Herrschaft über Ägypten fort. Schließlich war auch der Gott Osiris an der Reihe, Ägyptens Thron zu besteigen, und nach ihm als sein Sohn und somit Thronfolger, Horus. Und Horus war es auch, der schließlich als Bindeglied zwischen den göttlichen und menschlichen Königen fungierte. Auch verschiedene Hymnen an die Götter, erwähnen diese als Könige, vor allem Hymnen aud dem Neuen Reiches, und geben den darin verehrten Gottheiten Beinamen, die auch die irdischen Könige trugen, so wie "Königlicher Herrscher" oder "Herrscher der Zwei Länder".
Horus gekröngt mit der Doppelkrone Ober- und Unterägyptens, er war der mythologische Erbe des Osiris und personifizierte oft die Rolle des lebenden Herrschers

 

Vor allem in der Ikonographie (bildliche Darstellung) ist die Idee des Königtums unter den Göttern auf konkrete Art und Weise dargestellt worden und somit klar erkennbar. So halten Gottheiten königliche Insignien in den Händen und wurden meist sitzend auf einem Thron dargestellt. Vor allem im Neuen Reich wurde Amun als König der Götter, Re als Herrscher über den Himmel und Osiris als Herrscher über die Unterwelt verehrt. Aber auch andere Gottheiten konnten auf Thronen sitzen. Es ist sogar anzunehmen, das man in den Darstellungen häufiger auf inthronisierte Götter als auf inthronisierte Pharaonen trifft. Auch das tragen von Kronen der Götter zeugte vom Königtum der Götter. So trugen Horus und die Göttin Mut häufig die Doppelkrone von Ober- und Unterägypten. Auch andere königliche Amtsinsignien wie Szepter, Stäbe und Standarten wurden auf Darstellungen von Göttern in den Händen gehalten. Und auch was die Namensgebung betraf, spiegelte sich hier das menschliche Königtum wieder. So finden wir ab der Zeit des Mittleren Reiches z. B. den Namen von Osiris innerhalb einer Kartusche geschrieben, wie das eben auch bei den Namen der Pharaonen der Fall war.

Ein ganz interessanter Aspekt zeigte sich während der Herrschaft von Echnaton, als die Gottheit Aton als der wahre Herrscher des Universums galt. Hier erhielt Aton sogar eine königliche Titulatur deren Namen ebenfalls in Kartuschen gemeißelt wurden. Sogar seine eigenen königlichen Jubiläen feierte Aton, so das die Unterscheidung zwischen Gott und König in dieser Periode beinahe völlig verwischt war. Hierbei darf man allerdings nicht vergessen, das Echnaton die Idee des Gottes als König nicht neu erfand, eher führte er sie graduell fort.

der inthronisierte Osiris, bedient von Isis, Nephthys, Horus und Thot (Die beiden Göttinnen stehen eigentlich hinter ihm, sind aber auf diesem Ausschnitt des Bildes nicht zu sehen); Szene aus aus der Kultkapelle von Amun-Hotep in Sakkara, 19. Dynastie

 

Abschließend ist zu sagen, das in allen ägyptischen Epochen der ein oder andere Gott in eine herausragende Position aufstieg. Dies waren nacheinander der alte Himmelsgott Horus, der Sonnengott Re, Amun oder der verschmolzene Amun-Re und die von Echnaton bevorzugte Sonnenscheibe Aton. In der Spätzeit wurde diese Position sogar von einer Göttin eingenommen - von Isis.