Der Nil - Lebensader Ägyptens |
Es ist eine unumstößliche Tatsache, daß es das Land Ägypten, wie wir es kennen, ohne den Nil nicht gäbe. Es gäbe weder Wasser noch fruchtbares Land, um Nahrungsmittel anzubauen und es hätte auch keine Grundlage für die uns bekannte ägyptische Hochkultur, eine der bedeutensten und langlebigsten Zivilisationen der Antike, gegeben. Ohne den Nil wäre das Land sicherlich ein unansehnlicher Teil der Sahara geblieben, denn gerade deren östliche Teil gehört zu den trockensten Gegenden der Erde. Die Niederschlagsmengen sind gering und im Durchschnitt fallen nur etwa 100 - 150 mm Regen pro Jahr. Es herrscht ein heißes Klima, bei dem selbst im Winter die Temperaturen selten unter 13° C fallen. Also beschränkt sich der Lebensraum der Menschen des alten sowie auch des modernen Ägypten auf eine oft wenige Kilometer schmale, aber dafür etwa 1200 Kilometer lange Landzone an den Ufern des Nils. Mit mehr als 6500 Kilometern ist der Nil der längste Fluß der Erde. Er entsteht durch den Zusammenfluß zweier großer Ströme, des Blauen Nil, dessen Quelle in Äthiopien liegt, und des Weißen Nil, der in Uganda entspringt. Diese beiden Flüsse bilden in Karthum den Hauptfluß, der sich dann seinen Weg Richtung Norden durch die Wüste zum Mittelmeer bahnt. In seinem Lauf wird der Fluß an sechs Stellen durch Stromschnellen, natürliche Schwellen, auch Katarakte genannt, unterbrochen. Der erste Katarakt liegt in der Nähe von Assuan und ist die Stelle, an der der Nil eigentlich in das Land eintritt. In Unterägypten fächert sich der Fluß auf den letzten 200 Kilometern über das Marschland des Deltas in Seitenarme auf. Der südliche Teil des Landes, Oberägypten genannt, ist ganz anders beschaffen. Das Land ist hier trockener, und das Flußbett ist auf beiden Seiten von Klippen umgeben. Im Bergland von Äthiopien kommt es ab den Monaten Juni und Juli für etwa drei bis vier Monate regelmäßig zu schweren Monsunregenfällen, die große Mengen von Schlamm und anderes Feinmaterial über einzelne Nebenflüsse in den Nil einschwemmen. Im Niltal gibt es deshalb eine jährlich wiederkehrende Hochwasserquelle mit Schlammablagerungen, die letztlich für die Fruchtbarkeit des Bodens verantwortlich sind. Mit diesem Vorgang wiederholte sich für die alten Ägypter das Wunder der Schöpfung. Am Anfag der Dinge umhüllte die Urflut alles Sein und nichts rührte sich in der dunklen, öden Weite. Dann aber wuchs eine Lotusblume aus der Tiefe, öffnete ihre Blütenblätter und gebar die Sonne. Diese stieg wie ein goldener Vogel in den Himmel, bändigte die Wasser und entlockte dem auftauchenden Land erstes Leben. Seit dieser Zeit dankten die Menschen dem Sonnengott Re und seinem Erdensohn, dem gottgleichen Pharao, für die Fruchtbarkeit der Felder, wann immer die Nilfluten zurückwichen und die Zeit der Aussaat begann. Fakt ist, daß der Ackerboden Ägyptens regelmäßig vom Nil selbst gedüngt wird. Das fruchtbare Schwemmland erlaubt eine intensive Landwirtschaft, die von Anfang an die wirtschaftliche Grundlage der Hochkultur garantierte. Die Wasserstände des Nils wurden schon früh regelmäßig gemessen, denn ein Ausbleiben der Hochwasserquelle konnte Hungerkatastrophen zur Folge haben. Sogar der altägyptische Kalender wurde nach dem Wasserstand bestimmt. Sobald der Stern Sothis am 19. Juli erstmals am Horizont zu erkennen war, begann ein neues Jahr, denn es stand eine erste Flutwelle unmittelbar bevor.
Die Reise von Norden in den Süden dauerte vermutlich vor der Erfindung des Segels (um ca. 3350 v. Chr.) sehr lange, denn mit Segeln konnte der vom Mittelmeer aus Norden oder Norwest kommende Wind genutzt werden. Nachtfahrten wurden allgemein, wegen der Gefahr, auf Inseln und Sandbanken aufzulaufen, vermieden. Gegen Ende der prädynastischen Zeit entwickelte sich der ägyptische Schiffsbau von Schilfbündelbooten zu großen Schiffen aus Holzplanken. Aus frühen Felszeichnungen weiß man, daß manche der Boote mehr als 15 Meter lang waren und bis zu 32 Mann Besatzung beherbergten. Etwa um 4000 v. Chr. existierten bereits Boote mit mehreren Rudern. Somit hatte der ägyptische Schiffsbau in der Frühdynastischen Zeit bereits ein hohes Niveau erreicht.
Schon in frühester Zeit wurden Schiffe zum Personentransport während der Hochwasserzeit, für die Flußüberquerung und die Beförderung von Rindern, Korn und anderen Gütern sowie zu militärischen Zwecken benutzt. Ab der 5. Dynastie wurden in Ägypten auch seetaugliche Segelschiffe gebaut. Somit wurde den Ägyptern ermöglicht zu wirtschaftlicher und politischer Einheit zu gelangen, denn die Hauptstädte bzw. verschiedenen Gaue standen durch die Schiffe, die Abgaben in die Speicher brachten, in Verbindung miteinander. Große Häfen gab es bei Medinet Habu in Theben-West und in Memphis und Tanis im Nildelta. |