Entstehung und Entwicklung der Schrift

Anhand von prähistorischen Gefäßmarkierungen über Krugsiegel und Namenstäfelchen aus frühdynastischer Zeit kann man davon ausgehen, das um 3000 v. Ch. das erste Mal geschrieben wurde. Somit wandelte sich die ägyptische Kultur von einer "mündlichen" in eine "Schriftkultur". Im Laufe der nächsten 3000 Jahre entwickelte sich die Hieroglyphenschrift von einfachen Bildsymbolen zu immer komplizierteren Bedeutungs- und Lautzeichen. Außerdem änderten sich bei einigen Zeichen deren Bedeutung oder der Lautwert und die Zahl der Zeichen erweiterte sich ständig.

Wenn wir zu den allerersten Anfängen der Kultur im Niltal zurückkehren, stellt man fest, das im Zuge von Klimaveränderungen immer mehr Menschen aus der austrocknenden Steppe in Richtung Nil zogen. Dort wurden es immer mehr Menschen, die dort immer dichter siedelten um sich schließlich in größeren Gruppen zu organisieren. Um 3200 v. Ch. wurde dann aus den zwei großen Herrschaftsgebieten Ober- und Unterägypten ein vereinigtes Land, über welches einzig ein Herrscher wachte. Selbstverständlich musste so ein Staat regiert und verwaltet werden, so das sich mit der Zeit eine anwachsende Gruppe herausbildete, die sich

ausschließlich darauf konzentrierte, dies zu gewährleisten. Da diese Menschen keiner produktiven Arbeit nachgingen, mussten sie von der übrigen Bevölkerung mitverpflegt werden - man "erfand" die STEUERN. Um diese aber in den richtigen Zeitabständen zu erheben, um ihre Höhe der Größe der Ernte entsprechend anzugleichen und um 


Etikettentäfelchen aus Abydos, um 2900 v. Ch.

sie schließlich zu erfassen, zu speichern und weiterzuverteilen, war eine bestimmte Organisation dieser Aufgaben, und damit ein großer Verwaltungsaufwand nötig. Vor allem musste man sich Zahlen merken, und das in großem Ausmaß. Da das menschliche Gehirn anscheinend mit solchen Größenordnungen überlastet ist, musste man sich etwas

einfallen lassen. Die Archäologin Denise Schmandt-Besserat fand heraus, das seit dem Ende des 9. Jahrtausends v. Ch. im ganzen Vorderen Orient verschieden geformte Tongegenstände in Gebrauch waren. Man benutzte sie als Zählsteine, um zum Beispiel jede Veränderung des Bestandes eines Besitzes zu erfassen. Sie hatten bestimmte Formen und bedeuteten bestimmte Tiere, Getreidemaße, Metalle und Öle. Auch im Niltal fanden diese Steine Verwendung. In Sumer entwickelte sich daraus dann die Keilschrift, welche man in Tontafeln einritzte.

 

Die frühesten Zeugnisse der ägyptischen Schrift finden sich im Bereich des Götterkultes und dem verwaltungstechnisch-wirtschaftlichen Bereich. Man kann jedoch nicht genau sagen, welche der beiden Bereiche nun als erstes die Schrift für sich entwickelte, da die Beispiele hierfür aus derselben Zeit stammen. Die ältesten datierbaren Kultgegenstände sind ein fragmentarisch erhaltener Prunk-Keulenkopf von König Skorpion, ein gut erhaltener Prunk-Keulenkopf von König Narmer
links u. rechts: Palette des Narmer, um 3100 v. Ch.

und eine Prunk-Schminkpalette ebenfalls von Narmer. Geht man davon aus, das König Skorpion der ältere von Beiden ist, was am häufigsten von der Wissenschaft vertreten wird, so wäre er der erste König, aus dessen Zeit wir sichere Belege von Verwendung von Schrift kennen. Dann, unter dem König Menes-Aha, wurde es durch das Fortschreiten der Verwaltung und der Rechtsprechung notwendig, das Zählen der Jahre einzuführen. Für die Aufgabe des Dokumentierens und Zählens der Jahre gab es extra Annalenschreiber und Archive zur schließlichen Aufbewahrung der Akten. Nun entstanden auch immer neuere Aufgabengebiete, die bewältigt werden mussten, was zur Folge hatte, das der Kreis derer, die Ämter und Funktionen inne hatten, immer größer wurde. Auch das Privileg, das nur königliche Personen Schreiber werden konnten, gab es nicht mehr. Die Schreibkunst breitete sich auch unter "Otto-Normalverbrauchern" aus und um 2725 v. Ch. tauchte das erste mal in der Geschichte Ägyptens die Berufsbezeichnung der Schreiber auf. Zwar gab es diese schon vorher, aber nun auch als direkte Berufsgruppe

Wo wir bis jetzt nur knappe Texte kannten, die meist nur Namen und Titel von Personen, Bezeichnungen von Orten oder Gegenständen und Mengenangaben schriftlich festhielten, so wurde das Schriftgut im Alten Reich schon ausführlicher und die Inschriften auf steinernen Denkmälern nahm sprunghaft zu. In der Herrschaftszeit von Pharao Djoser, der ja bekanntlich die erste Pyramide für sich errichten ließ, wurde die Verwaltung des gesamten Landes straffer organisiert und das Land in einzelne Verwaltungsbezirke, sog. Gaue, aufgeteilt. Diese beiden Tatsachen trugen hauptsächlich dazu bei, den Verwaltungsapparat noch weiter auszudehnen und somit den wachsenden Bedarf an schreibkundigen Menschen zu decken. Die Hauptquellen, aus der wir unsere Kenntnisse über die damalige Schrift ziehen, blieben aber immer noch hauptsächlich Gräber von Königen und Beamten und Tempel.


Schriftbeispiel aus der 4. Dynastie, um 2950 v. Ch.;
es handelt sich um die Opferplatte des Iunu, 
Aufseher der Arbeiterschaft während des Baus der Cheops-Pyramide

Mit der Einführung der hieratischen Schrift, eine Art Kurz- oder Kursivschrift, hatte die Schrift nach knapp 1000 Jahren Entwicklung ein Stadium erreicht, welches bis auf ein paar Kleinigkeiten, nicht mehr weiter ausgebaut werden brauchte. Die Schriftkunst hatte sich von kurzen Bleischriften zu langen Texten, von nicht durch Linien untergliederten Inschriften zu solchen zwischen Zeilen- und Kolumnenbegrenzungen, von nüchternen Aktenkopien bis zu wörtlichen Reden hin entwickelt. Und auch die Beamten hatten einen mittlerweile eine Status errungen, welcher für die Zukunft maßgebend war. Sie sollten mit zur mächtigsten Kaste Ägyptens werden.

Nach über 3000 Jahren Hieroglyphenschrift wurde im Jahr 394 n. Ch. die letzte Inschrift in den heiligen Zeichen in eine Tempelwand gemeißelt - im Tempel von Philae. Die Bildhauer, die das taten, wussten wahrscheinlich gar nicht was sie da schrieben, weil die Zeichen kaum noch einer  lesen konnte. Als  Alexander der Große Ägypten erobert hatte und seine Nachfahren es bis 30 v. Ch. beherrschten (323 - 30 v. Ch. - Ptolemäerzeit), war Griechisch die offizielle Sprache am Hof. Jedoch wurden wichtige Dekrete zweisprachig abgefasst, also zusätzlich eine Art Verwaltungsschrift - das Demotische. Diese Schrift war eine Ableitung des Hieratischen und man nannte sie "Schrift der Dokumente", aber sie wurde manchmal auch
Koptischer Grabstein aus dem Friedhof des Jeremiasklosters bei Sakkara, 8.-9. Jahrhundert n. Ch.

für Inschriften in Stein eingesetzt. Trotzdem wurde bei Denkmälern und Tempeln noch hauptrangig die Hieroglyphenschrift verwendet, obwohl man nicht mehr so sehr auf die Wahl der Zeichen achtete, da man die Hieroglyphen eher als Dekorationsmittel betrachtete. Als 30 v. Ch. Ägypten in das Römische Reich eingegliedert wurde, bürgerte sich bei den Einwanderern der Begriff "Kopten" für die Einheimischen ein. Da Griechen und Römer, die nun das Land neu besiedelten, kaum mit der ägyptischen Schrift zurechtkamen, wurde die Schrift und Sprache der Kopten - das Koptische - rasch verdrängt. Erst ab dem 3. Jahrhundert n. Ch. erlebte das Koptische unter christlicher Herrschaft wieder einen Aufschwung. So wurde dann mit Hilfe des griechischen Alphabets und sieben Zusatzzeichen, die aus dem Demotischen stammen und die es im Griechischen nicht gab, geschrieben. Das Koptische überlebte sogar die arabische Eroberung und wird noch heute als Sprache der Liturgie der christlich-orthodoxen Kirche Ägyptens benutzt. Die Hieroglyphen aber blieben mehr als 1500 Jahre lang unlesbar und somit etwas Geheimnisvolles, bis ein geniales französisches Sprachgenie sie entschlüsseln konnte.