Die ägyptische Verwaltung

 

Ägypten war stets ein zentral organisierte Verwaltungswirtschaft gewesen. So funktionierte sie auch 3.000 Jahre. Alles wurde von Beamten registriert: Arbeitsleistung, Fehlzeiten, Krankheit, Entlohnung.  Jeder Ägypter  hatte durch die straffe Organisation sein Auskommen, und konnte sogar mit ein wenig Fleiß und Glück zu Wohlstand kommen. Leute, die nicht arbeiten wollten, erhielten eine Tracht Prügel (so was könnten wir heute auch gebrauchen). Steuern wurden in Naturalien und oder in Arbeitsleistung eingezogen, wobei kaum ein Bewohner von der Steuerlast befreit war. Ausnahme bildeten da nur die Tempel. Für die Bauern wurde die Steuer so festgelegt, das Schreiber anhand des Hochwasserstandes des Nil genau berechnen konnten, was die Felder einbringen und wie hoch somit auch die Steuern sein werden.  Die Verwaltung des alten Ägypten zeichnete sich durch ein Heer von Beamten aus. Bereits das alte Reich kannte 1.600 verschiedene Ämter – „wow!“ – für Beamte. Es gab da die verschiedensten einfachen Schreiber, natürlich deren Leiter, dann Unter- und Nebenvorsteher. Es gab also eine strenge Hierarchie in der Beamtenschaft. 

 

Das Amt des Wesirs

Das Wort "Wesir" stammt aus dem arabischen und kennzeichnete in Ägypten den obersten Beamten im Staat, gleich nach dem Pharao. Ihm oblag die Aufsicht über die exekutive (ausführende Gewalt) im Land. Im Alten und im Mittleren Reich gab es einen Wesir, der für das ganze Land zuständig war, schließlich ab dem Neuen reich gab es einen Wesir für den unterägyptischen Landesteil mit Amtssitz in Memphis und einen Wesir für Oberägypten, der sein Amt in Theben ausübte. Eindeutig belegen kann man diese neuerliche Aufteilung erstmals unter Thutmosis III. Wann es aber nun zu einer tatsächlich neu eingeführten Amtsaufteilung kam, ist heute noch ungewiss. Beide Wesire übten ihr Amt
Büro des Wesirs aus dem Grab des Rechmire, Wesir unter Thutmosis III., Grab in Theben-West, dieser Ausschnitt der Grabmalerei zeigt eine der wenigen Darstellungen eines staatlichen Büros

unabhängig voneinander aus. Die Zuständigkeitsgebiete des Wesirs im Alten Reich erstreckten sich bis Assuan, im Mittleren Reich erweiterten sich diese um die eroberten Gebiete in Unternubien. Als im Neuen Reich auch noch Obernubien erobert wurde, setzte man für die Verwaltung Gesamt-Nubiens nun ein neues Amt ein - den Vizekönig von Kusch, der unabhängig vom Wesir handelte. In der späten Ramessidenzeit wurden Aufgaben von der Verwaltung des Tempels von Karnak übernommen, so das das Amt des Wesirs in der Folgezeit immer mehr an Bedeutung verlor. Was ein Wesir alles zu tun hatte und wo seine Aufgabengebiete lagen, wurde eindeutig in der sog. "Dienstanweisung an den Wesir" beschrieben. Er kontrollierte und koordinierte die gesamte ägyptische Verwaltung und hatte zudem auch noch juristische Aufgaben zu erledigen. Jedoch hatte er keine legislativen Funktionen (beschließende Macht) inne, diese oblag allein dem Pharao. Dem Wesir unterstand die Landesverwaltung mit allen deren nachfolgenden Instanzen, welche ihm Rechenschaft abzulegen hatten. Er war verantwortlich für die Richtigkeit der Ausführungen der Beamten, die das gesamte Land und dessen Bevölkerung erfassten und diese Akten in eigens dafür vorgesehene Archive ablegten. Des weiteren überwachte er den Bau des Königsgrabes und kontrollierte den Fortschritt der Arbeiten. Ihm war die Arbeiterschaft des Handwerkerdorfes Deir-el-Medineh im Tal der Könige unterstellt und er war somit auch für die Entlohnung der dort ansässigen Arbeiter zuständig sowie für die Lieferungen des dort benötigten Materials.

 

Das Beamtentum

Neben dem zeitweiligen Militär stellte das Beamtentum stets die staatstragende Schicht dar. Da die Ägypter keine Trennung  Staat - Kirche kannten, waren auch Tempel Staatsinstitutionen. Neben ihren kultischen und religiösen Aufgaben waren sie auch Wirtschaftsanlagen, die über landwirtschaftliche Flächen, Produktionsmittel und Arbeiter verfügten. Alle Großunternehmungen wurden vom Staat veranlasst und finanziert und schließlich von Beamten geleitet und zum Abschluss gebracht. Sogar Werkstätten, in den denen Rohmaterial weiterverarbeitet wurde, waren staatlichen Institutionen angeschlossen und selbst die Wissenschaft wurde von Beamten betrieben.


reichgekleidete Schreiber aus der 18. Dynastie stehen gebeugt vor dem König

Entlohnt wurden die Beamten mit Naturalien (Geld gab es schließlich nicht). Auch mussten Beamte Steuern entrichten, wobei es auch manchmal zu Klagen über die hohe Steuerlast kam und manche Beamte ihrer zu entfliehen versuchten. Am Ende der beruflichen Aktivität, so gesehen also wenn sie in Rente gehen, erhielten verdiente Beamte meist eine gute Priesterstelle und die Altersversorgung war somit gesichert. Am Neujahrstag erhielten diejenigen Beamten, welche sich durch besonders herausragende Leistungen bemerkbar machten, zusätzlich Ehrengeschenke.

Grundvoraussetzungen für einen Beamten waren, das er des Lesens und Schreibens mächtig war. Deshalb ließen sich Beamte auch gern als Schreiber darstellen und ab dem Mittleren Reich bürgerte sich das Wort "Schreiber" generell für den Beamten ein.

 

Steuern

Ägypten wurde schon sehr früh in Verwaltungsbezirke eingeteilt, die man auch als Gaue bezeichnet. Die Hieroglyphe für das Wort "Gau" zeigt ein Stück Land, welches in verschiedene Stücke geteilt ist. Traditionell sind 42 solcher Gaue bekannt. Verwaltet wurden diese Bezirke von sog. Gaufürsten oder Bezirksgouverneuren, denen die Erhebung der Steuern und die Aushebung der zur Arbeit für den Staat verpflichteten Landbevölkerung oblag. Hierfür war es außerordentlich wichtig, das das gesamte Land katasteramtmäßig bemessen und erfasst wurde. Die daraus resultierenden Unterlagen wurden an die zentralen Aktenbüros weitergeleitet, welche nun anhand der aufgelisteten Zahlen und der Höhe der Überschwemmung errechnen konnte, wie viel Steuern zu erheben sind und wie hoch der Bedarf an Arbeitskräften für Staatsunternehmungen ist.


Rinderzählung

Die erhaltenen Steuern wurden an "Scheune" und "Schatzhaus" geliefert, welche zu den wichtigsten Verwaltungseinrichtungen gehörten. Sie verwalteten die Einnahmen Staates, der diese dann für den Handel, für den Unterhalt und die Ausrüstung des Militärs sowie für die Arbeiter bei großen Arbeitsunternehmungen verwendete. Und schlussendlich musste von den Einnahmen auch der Unterhalt, sprich der Luxus ;o) , des Königs und seiner Familie finanziert werden. Die Scheune war für das Getreide zuständig und an das Schatzhaus wurden neben Gold, Silber und Edelsteinen auch Leinen, Rinder, Holz und vieles mehr geliefert. An das Schatzhaus waren dann die Werkstätten angegliedert, die aus den Rohstoffen die begehrten Produkte für den Endverbraucher herstellten. Die lokalen Tempel, die sich in den verschiedenen Verwaltungsbezirken befanden und die über eine eigene Verwaltung verfügten waren oft durch Befreiungsdekrete des Königs der zentralen Verwaltung entzogen und somit auch von der Steuerlast befreit. Manche Steuereintreiber konnten auch ziemlich übereifrig werden und meldeten dann zum Beispiel folgendes:


70 Krüge mit Honig waren mein Soll,
 ich aber habe 700 Krüge eingerieben.
70.000 Sack Getreide waren mein Soll,
 ich aber habe 140.000 Sack Getreide eingetrieben.


Das Gerichtswesen

Da es in Ägypten keine Trennung zwischen Verwaltung und Justiz gab, gab es auch keinen solchen Berufszweig, in etwa einen Richter oder Staatsanwalt. Aus dem Neuen Reich sind sog. Richterkollegien bekannt, welche als "kenbet" bezeichnet wurden. Während der Herrschaft von Haremhab wurden diese Richterkollegien neu organisiert. Diese setzten sich nunmehr aus Bezirksgouverneuren und ausgewählten Priestern zusammen. Was für Fälle und Streitigkeiten diese zu klären hatten, geht heute nicht klar hervor.

In der sog. "großen kenbet" saßen hohe Staatsbeamte unter dem Vorsitz des Wesirs. Hier wurden beispielsweise Prozesse um Besitzansprüche an Grund und Boden geführt, die natürlich auch die Interessen des Staates berührten. Hier fanden ebenfalls die Grabräuberprozesse statt, die während der späten Ramessidenzeit abgehalten wurden. Das Gericht war Richter und Staatsanwaltschaft zugleich und führte auch die dementsprechenden Untersuchungen zur Klärung eines Falles durch. Grabräuberei wurde stets mit dem Tode bestraft, da es zu einem der größten Verbrechen im Alten Ägypten zählte. Andere Strafen erfolgten in Form von Stockschlägen, Konfiszierung des Besitzes, Zwangsarbeit und ab dem Neuen Reich bürgerte sich auch das Abschneiden der Ohren, der Nase und des Mundes ein.


„Handle gerecht, damit Du Dauer hast auf Erden. Beruhige den Weinenden; bedränge die Witwe nicht; verdränge nicht einen Mann vom Eigentum Seines Vater...“


Aus den Aufzeichnungen auf den vielen Ostrakas aus dem Arbeiterdorf Deir-el-Medineh erfahren wir heute am meisten über die damalige Rechtssprechung und über das Gerichtswesen. Prozesse wurden geführt wegen Diebstahl, Ehebruch, nicht bezahlten Leistungen und nicht erbrachten Leistungen. In solch einem Fall trat einer der Einwohner als Kläger auf, wobei auch Frauen Kläger sein konnten. Schließlich führte das Gericht, welches sich meist aus Schreibern oder Vorarbeitern zusammensetzte, alle notwendigen Untersuchungen durch und fällte dann ein Urteil, welches auf Gewohnheitsrecht basierte. So eine Streitigkeit konnte sich manchmal richtig lange hinziehen und mehrmals wieder aufgerollt werden. So ist ein Beispiel bekannt, bei welchem um die Bezahlung eines Topfes mit Fett ganze 10 Jahre gestritten wurde ;o)