Das "seltsame" Grab - KV 55
 

Die Entdeckung

Über dieses rätselhafte Grab ist heute vielleicht mehr geschrieben worden, als über eine andere Grabstätte im Tal der Könige. Und das hat sicherlich auch einen Grund. Am 3. Januar 1907 wurde es von dem Grabungsexperten Edward Russel, der mit Grabungen im Haupttal beschäftigt war, ganz zufällig entdeckt. Gegraben wurde dabei einige Meter westlich des Grabes von Ramses IX. und er fand dabei ein Versteck von Tonkrügen. Drei Tage später wurde der Eingang zu einem ganzen Grab freigelegt, der Eingang zu dem heute berühmten KV 55. Man stieß dabei auf die Überreste einer ursprünglich zementierten Türblockade, die das Siegel der Totenstadt, des "Schakals und der neun Gefesselten" trug. Dieser Eingang wurde später mit einer Kalksteinmauer verschlossen. In der Antike wurde dieses Barrikade aufgebrochen und ein Zugang zu einem abschüssigen Korridor wurde freigelegt. Am oberen Ende des Ganges lag eine einzelnes Türblatt und ein Paneel, welches sich als  als Teil eines großen vergoldeten Holzschreines herausstellte.

Diesen hatte Echnaton für die Bestattung seiner Mutter Teje anfertigen lassen. Die Ausgräber schlitterten in den Gang Richtung Grabkammer hinunter und trafen dabei auf weitere Teile dieses Schreins. An all diesen Teilen waren die Namenskartuschen des Echnaton schon in der Antike abgeschlagen und entfernt worden.
die Grabkammer, der Sarg befindet sich unter der Nische, die die Kanopenkrüge enthält (Bildmitte)

Man fand an der Südseite des Grabes auch einen vermoderten Holzsarg, der mit Krummstab und Flegel verziert war. Jedoch waren die Namenskartuschen auch hier entfernt worden und die goldene Gesichtsmaske wurde brutal abgerissen. In dem Sarg befand sich eine Mumie, bei der ein Arm über die Brust gelegt war. Ebenfalls in der Grabkammer enthalten waren vier Kanopenkrüge aus Calcit, die mit Portraitköpfen verschlossen waren. Außerdem wurden weitere interessante Gegenstände gefunden, so ein mögliches Fragment der ursprünglichen Türversiegelung aus Hartgips, auf der eine heute unleserliche Inschrift angebracht war, dann blau bemalte Keramikfragmente, ein hieratisches Etikett und ein Tonsiegel. aber am interessantesten ist ein Kalksteinbrocken, auf dem möglicherweise ein Teil des Arbeitsplanes des Grabes verzeichnet ist.


Rekonstruktion des Sargdeckels aus dem Grab

 

Das große Rätsel um die Mumie

Zunächst ging der Entdecker des Grabes, Theodor Davis, davon aus, er habe das Grab der Königin Teje entdeckt und das der gefundene Sarkophag und der dazugehörige Leichnam ihr gehörten. Nach der Unteersuchung des Leichnams musste er allerdings seine Meinung ändern:


"Sind Sie sicher, das die Gebeine, die Sie mir geschickt haben, auch jene sind, die in dem Grab gefunden wurden? Anstelle der Knochen einer alten Frau haben Sie mir die eines jungen Mannes zukommen lassen. Da ist sicher irgendwo ein Fehler passiert."

Grafton Elliot Smith, Brief an Arthur Weigall


Nach fast einem Jahrhundert ist man sich immer noch nicht einig, wem nun eigentlich die Mumie zuzuordnen ist. Die Funde des Grabes sind in zwei Gruppen aufzuteilen. Die eine umfasst eine Reihe kleinerer Grabbeigaben, die mit Teje in Verbindung stehen könnten, die zweite Gruppe beinhaltet die Mumie, die Kanopenkrüge und die Zauberziegel. Dadurch, das der Holzschrein der Teje in dem Grab gefunden wurde,
Brustschmuck aus dickem Goldblech, der um den Kopf der Mumie gebogen war

kann man davon ausgehen, das irgendwann einmal ihre Mumie hier gelegen haben könnte. Diese und auch der größte Teil der Grabausstattung fehlen zwar, aber vielleicht wurden sie entfernt, als die Arbeiter, die an dem darüberliegenden Grab Ramses IX. gruben, dabei über KV 55 stolperten. Bezüglich der Identifikation der Mumie der Königin Teje wurde eine im Grab des Tut-Ankh-Amun gefundene Haarsträhne mit der "älteren Dame", die im Grab des Amenhotep II. entdeckt wurde, verglichen und für identisch befunden. Diese Annahme findet aber nicht die allgemeine Zustimmung.

Was den Sarg und die Kanopenkrüge aus KV 55 betrifft, so kann man davon ausgehen, das sie für die königliche Nebenfrau des Echnaton - Kija - vorgesehen waren. Diese schien jedoch im ungefähr 11. Regierungsjahr des Pharao in Ungnade gefallen zu sein und deshalb wird sie die für sie gedachten Gegenstände nie benutzt haben. Deshalb wurden auch der Sarg und die Krüge für den nächsten Eigentümer umgestaltet. Leider sind aus dem Sarg die Namen des Besitzers herausgeschnitten worden und die Krüge waren überhaupt nie beschriftet gewesen.

die eingelegten Kartuschen wurden in der Antike abgerissen

ebenso die Goldmaske aus Goldblech, oben links erkennt man noch ein Ecke

Die Zauberziegel geben wahrscheinlich den meisten Aufschluss über den Grabinhaber. Die Inschriften darauf legen nahe, das der Sarg, die Krüge und der Leichnam selber dem Echnaton gehören. Ursprünglich wurde er zusammen mit Teje in ein und demselben Grab in Amarna bestattet. Aus Siegelinschriften, die man aus KV 55 herausfischte ist ersichtbar, das beide von Tut-Ankh-Amun von Amarna nach Theben geschafft und dort erneut begraben wurden. Was die Untersuchung der Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Echnaton und Tut-Ankh-Amun betrifft, so wurden zwar große physische Ähnlichkeiten festgestellt und beide haben sogar die gleich Blutgruppe (A2MN) aber man rätselt heute noch, in welcher Beziehung die beiden zueinander standen. Das Todesalter der Mumie wurde übrigens auf 20 - 26 Jahre geschätzt und scheint der Argumentation der Wissenschaftler somit zu widersprechen, das es sich hierbei um Echnaton handeln soll. Aber auch hier sind die Schätzungen noch zu beweisen. Man darf also gespannt sein.....