Verliebte Göttin
Autor: Abeth Bay
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TEIL 1

Es war einer dieser heißen und unerträglichen Tage als mich meine liebe Mutter zu sich in die Küche rief. Also setzte ich meinen jüngeren Bruder Inser auf den staubigen Boden des Innenhofes und eilte zu meiner Mutter in die Küche. „Ich habe mit deinem Vater gesprochen und er ist auch der Meinung, dass wir heute abend ein Fest geben sollten – deshalb wirst du mit der Dienerin zum Markt gehen um Gewürze und Fleisch zu kaufen, danach wirst du mit deinem Bruder, bitte die Einladungen verteilen!“ Meine Mutter sprach etwas abwesend, was wahrscheinlich daran, dass sie gerade den Fisch salzte. „Ich will das gerne machen aber warum geben wir denn ein Fest?“ Sie antwortete nicht; war wohl so mit dem Fisch beschäftigt.
Ich ging also mit der Dienerin zum Markt, der mir heute besonders voll erschien – eigentlich hatte ich ja etwas anderes machen wollen, aber wenn es ein Fest gibt, wird ER vielleicht auch da sein. Ich entschied mich also den Markt so schnell wie möglich zu verlassen damit ich die Einladungen verteilen konnte. „Kiya-Nut!“ Als ich meinen Namen hörte drehte ich mich erschrocken um und sah Ka auf mich zu rennen. Er war ein Freund der Familie und Sohn eines reichen Kaufmannes. Wir kannten uns seit unserer frühsten Kindheit. „Was machst du denn hier?“ Fragte er mich vollkommen außer Atem „ich soll für meine Mutter Gewürze und Fleisch kaufen – und warum rennst du an einem solchen Tag in der Stadt herum?“ Er sah sich kurz um und meinte dann: „Ich soll für meine Mutter Leinen kaufen. Dabei hab ich davon überhaupt keine Ahnung!“ Mir kam eine Idee, wenn ich meinen Einkauf auf ihn abwälzen würde und dafür seinen erledigen würde, wäre ich sicher schneller fertig! Ich erklärte Ka meinen Plan und er willigte ein. Wir vereinbarten, dass wir uns so schnell wie möglich vor seinem Haus, das ganz nah bei dem unseren lag, treffen und gingen wieder auseinander. Für die Leinen würde ich nun durch die halbe Stadt laufen müssen und ich drängte das Mädchen, das mich begleitete, mir schnell zu folgen.
In den engen Gassen roch es nach Bier und Staub während Re gnadenlos auf uns nieder brannte. Es waren ungewöhnlich viele Kaufleute und Händler in der Stadt, so schien es mir zu mindest. Manchmal wunderte ich mich selbst das ich mich in diesem Gewirr aus Gassen, Menschen und Häusern erst zweimal verlaufen hatte. Während wir zügig durch die Strassen eilten musste ich wieder an IHN denken, dabei wollte ich ihn doch vergessen! Ärgerlich über mich selbst begann ich schneller zu laufen und verlor dabei fast das Dienermädchen hinter mir. Als wir das Haus, wo ich die ganze Zeit hingestrebt hatte, erreichten, kamen gerade zwei Beamten oder höhere Soldaten, wie ich vermutete, heraus und musterten das Mädchen hinter mir und mich selbst genau. Gerade als ich mich an ihnen vorbei ins Haus schieben wollte, hielt mich der eine am Arm so fest, dass der Armreif anfing weh zu tun.
„Warte mal Mädchen!“ Der ältere der beiden roch nach Bier und Schweiß und ohne ihn zu kennen, mochte ich ihn nicht besonders. Der andere sah mich an und fragte streng, fast unhöflich: „Du bist doch die Tochter des hiesigen Polizeichefs – Kiya-Nut!?“ „Ja, das bin ich, aber ich bin in Eile!“ Antwortete ich wohl etwas zu trotzig, denn ihre Gesichter wurden noch grimmiger als sie es ohnehin schon waren. „Hör mal zu: Wenn du dann wieder nach Hause gehst – würdest du deinem Vater dann bitte diesen Brief geben?“ Er hielt mir ein zusammengebundenes Papyrusröllchen entgegen. Ich beäugte es fragend und als die beiden Männer das bemerkt hatten, fügten sich schnell an „ Das ist eine Liste von Ausgeben für Waffen und Kleidung!“ Ich nickte zur Bestätigung und die beiden Männer verabschiedeten sich. Ich hatte Zeit verloren und musste mich jetzt noch mehr beeilen. Im Inneren des Hauses war es etwas kühler aber nicht sehr viel angenehmer als draußen. Die Leinen hier waren zwar sehr teuer, aber sie waren von sehr guter Qualität. Ohne viel Zeit zu verlieren kaufte ich weiße und etwas beigefarbende Leinen – nun hoffte ich natürlich, dass sie die richtigen Farben hatten.

Re hatte nun seinen Höchststand erreicht und es wurde unerträglich. Die Strassen leerten sich und Mensch und Tier zogen sich an schattige Orte zurück. Als ich bei Kas Haus ankam saß er schwitzend auf einem Stein unter dem kleinen Vordach. Ihr Haus war größer als unseres und wahrscheinlich auch luxuriöser. Ich gab ihm die Leinen und er mir meine Gewürze und das Fleisch. Die kleinen Gewürzbeutelchen rochen sehr gut und ich freute mich auf das Festmahl, dass meine Mutter daraus zaubern würde. Aber ich dachte auch an unsere armen Katzen und den kleinen weißen Hund meines Bruders, die wahrscheinlich leer ausgehen würden. Ich bedankte mich bei Ka und eilte nach Hause.
Mein kleiner Bruder Inser spielte ausgelassen mit seinem Hund, während die Katzen aus sicherer Entfernung zusahen. Im ganzen Haus duftete es nach Fisch und frischgebackenen Brot. Vater war in seiner Amtsstube und beschäftigte sich mit den Streitigkeiten der Bürger – da viel mir auch gleich das Papyrusröllchen wieder ein. Ich schickte die Dienerin mit der Ente und den Gewürzen zu meiner Mutter in die Küche und eilte zu meinem Vater der wenige Häuser weiter arbeitete.
Als ich den Vorraum betrat, saßen da zwei Polizisten und spielten irgendwelche Knöchelspiele, ständig hörte man den einen jubeln und den anderen fluchen, weil er wieder verloren hatte. Ich verstand einfach nicht wie man sich mit solchen Spielen die Zeit vertreiben konnte. Ich drängte mich an ihnen vorbei und die schmale Treppe zu der Stube meines Vaters herauf. Als ich den Vorhang beiseite schob wäre ich am liebsten wieder schreiend davon gerannt. Während mein Vater auf seinem kleinen Schemel saß und dem Polizeischreiber etwas diktierte, stand ER an der Wand und sah mich geradewegs an. Bei Amun, warum muss so etwas immer ausrechnet mir passieren! Ich verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln, ging zu meinem Vater und legte ihm die Papyri hin. Ich wollte gerade den Raum ganz schnell wieder verlassen als mein Vater mich zurückrief und mir eine weitere Papyri übergab. „Wenn du dann die Einladungen verteilst, gibst du das bitte Introuf! Und vergiss es bitte nicht!“ Ich nickte nur – ich wollte nicht laut ’ja’ sagen, weil ich befürchtete, dass meine Stimme in SEINER Gegenwart versagen würde.
Als ich unsicher die Treppen hinunter ging, hörte ich einmal den Fluch meines Vaters, den Jubel eines Polizisten im Vorraum, der nun wieder direkt vor mir lag und SEINE Stimme. Mein Vater hatte ihn wahrscheinlich zum öffnen des Papyrus, das ich ihm gegeben hatte hinausgeworfen und nun kam er hinter mir her. Und wollte mit mir reden. Es ist ja nicht so, dass ich mich noch nie mit ihm unterhalten hatte; er war sogar schon auf einigen unserer wenigen Feste, aber trotzdem kam ich mir in seiner Nähe fremd und klein vor. Ich hatte keine Ahnung wie er hieß und was er machte - ich kannte ihn nur von meinem Vater der ständig in höchsten Tönen von ihm schwärmte. Aber was mich am meisten verwirrte war seine Herkunft, denn er schien nicht aus Ägypten zu kommen, viel eher aus Kusch, denn seine Haut war dunkler als meine oder die meiner Mutter.
Als wir nebeneinander das Haus verließen, blieb er stehen er wollte hier wohl noch etwas erledigen dennoch fragte er mich: „Deine Mutter hat sicher viel zu tun wegen des Festes heute abend- wirst du denn auch da sein, Kiya – Nut?“ Seine Augen sahen mich fragend an. Meinem Namen – er kannte sogar meinen Namen. „ Sie war vorhin damit beschäftig Brot zu backen und den Fisch zuzubereiten und ich werde ihr dann noch zu Hand gehen indem ich die Einladung austeile. Wenn ich rechtzeitig wieder da bin kann ich auch am Fest teilnehmen.“ Der Satz klang in meinen Ohren hohl und sinnlos. „Gut, dann hoffe ich doch dass du dich beeilst und wir uns heute abend sehen!“ Schon während des Satzes wandte er sich ins Haus und scheuchte die zwei Polizisten, die ganz offensichtlich gelauscht hatten, auf. Ich war etwas verwirrt und eilte zurück nach Hause zu meiner Mutter, um mir die Einladungen zu holen.

„Dein kleiner Bruder Inser bleibt hier – er muss mir helfen, wenn du nicht da bist, aber du kannst ja zu Ka gehen und fragen ob er dir hilft, denn ich bezweifle das Aker-Tiyu schon fertig mit seiner Schule ist“ meinte meine Mutter als ich gerade zu Inser ging um ihn zu holen und da eilte sie auch schon in den Hauptraum in dem drei Schreine von Bastet, Re und der Göttin Nut standen – er erinnerte mich immer daran, dass ich den Namen einer Göttin trug, was mich sehr stolz machte. Meine werte Mutter gab mir ein kleines Beutelchen wo mehrere Papyri drin waren. Sie war in Eile und drängte mich die Einladungen zu verteilen.
In den Beutelchen befanden sich Einladungen für Kas Familie und Freunde meiner Mutter und meines Vaters nur fand ich keine Einladung für IHN. Ich war enttäuscht und kehrte gegen Abend nach Hause zurück. Die Luft wurde kühler und angenehmer. Als ich den Hof zu dem Schlafzimmer, das ich mir mit Inser und Aker-Tiyu teilte, durchquerte, kam mir meine Mutter entgegen, fast bereit unsere Gäste zu empfangen. Sie bemerkte mein trauriges Gesicht und fragte besorgt, was denn los sei - immerhin würde ich doch solche Feste lieben. „Ach es ist nichts. Iich bin mir nur unschlüssig welches Kleid ich anziehen soll!“ Es war keine direkte Ausrede, denn ich wusste wirklich nicht was ich anziehen sollte, es war eben nur nicht die ganze Wahrheit – möge Maat mir verzeihen. „Oh – ich habe dir ein Kleid auf deine Matte gelegt – als kleine Überraschung!“ Sie umarmte mich zärtlich und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Danach eilte sie weiter und auf dem Weg zur Küche raffte sie Inser mit an – er sollte bestimmt wieder als Vorkoster der Süßigkeiten herhalten. Als ich noch die Jüngste war, durfte nur ich naschen. Ich lächelte und ging in den angenehm kühlen Schalfraum. Auf meiner Matte lag, wie es meine Mutter gesagt hatte ein Kleid.
Es war aus weißen leichten Leinen und hatte blaue Ränder aufgenäht bekommen – es gefiel mir gleich und ich zog mich um, legte meine schönsten Armreife an. Der eine, den ich von meiner Mutter geschenkt bekommen hatte, stellte die große Göttin Nechbet dar, auf dass sie mich immer beschützen möge und der andere den ich bereits seit meiner Kindheit hatte stelle die Göttin Nut dar. Mein Vater meinte, ich trüge ihren Namen, weil ich am selben Tag geboren wurde wie die Göttin Selbst, Jahrtausende zuvor. Da es kühl werden würde, flocht ich mein Haar zu einen langen Zopf zusammen und steckte mir eine Klammer in Skarabäusform hinein.
Nun war ich fertig und als ich wieder hinaus auf den Hof trat, kam Vater mit Aker-Tiyu gerade mit einem langen Tisch herein. Er hatte ein halbes Vermögen gekostet, sagte Vater immer und deswegen nahmen wir ihn nur zu besonderen Anlässen. Mutter, die Dienerin und ich fingen danach an aufzutafeln und der ganze Hof begann nach Bier, Ente, Fischsuppe, Brot und Datteln zu duften, dazu kamen einige Gewürzpflanzen die ich ein paar Tage zuvor mit meiner Mutter aufgehangen hatte, zu diesem Zeitpunkt hatte ich nicht verstanden, weshalb wir das taten, nun wurde mir klar, dass der ganze Hof danach roch. Aker–Tiyu mein großer Bruder, der die Ehre hatte, auf eine Schreiberschule gehen zu dürfen, hatte auf kleine Tonplatten die Namen unserer Gäste, uns selbst und seinen eigenen geschrieben und verteilte sie nun so, wie meine Mutter ihn anwies. Währenddessen schickte mich mein Vater in die Küche um den Katzen und dem Hund meines Bruders Fleischreste und Knochen zu geben. Inser hatte bereits alles ausgeteilt und half mir nur noch beim Aufstellen der Schalen im Hof. Und schon bald sah ich unsere Katzen und einige aus der Umgebung herbei laufen und fressen. Zusammen mit meinen Geschwistern ging ich mir die Hände waschen und als wir wieder auf den Hof traten, waren bereits die ersten Gäste eingetroffen, aber nur Freundinnen meiner Mutter, ihre Familien und Ka mit seinen Geschwistern, 4 kleine Schwestern, und seinen Eltern. Mein Vater führte gerade einige Beamte in den Hof, die sich alle zurecht gemacht hatten und kleine Geschenke für meine Mutter oder mich mitbrachten. Die Männer in sauberen und leuchtend weißen Schurzen; ihr der Oberkörber gesalbt und parfümiert und ihre Ehefrauen ebenso festlich. Unsicher ging ich zu meiner Mutter „ Sie sind alle so festlich, das wusste ich doch nicht – soll ich mich denn noch mal umziehen?“ Mit sanften und leisen Worten beruhigte sie mich sichtlich, denn ich fing an das Fest zu genießen. Als ich mich gerade von meiner Mutter abwandte, führte mein Vater gerade einen dunkelhäutigen Polizisten in den Hof. Dieser trug einen knielangen Schurz mit einem feinen Gürtel und einem großen Kragen. Auch sein Körper war geölt und gesalbt worden und duftete wahrscheinlich nach allerlei schönen Gerüchen – als ich genauer hinsah erkannte ich, dass ER es war und wollte mich gerade unauffällig vom Hof entfernen, als mein Vater mich erblickt und mich zu sich winkte. Als ich bei den beiden Männern ankam führte uns mein Vater in einen großen Raum, den wir nur selten nutzen.

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