TEIL 4
Das Geschrei meines Sohnes und die gleißende
Hitze weckten mich am nächsten Morgen auf. Ich lag noch immer auf
der Strohmatte auf dem Dach, jedoch lag nicht Kiya-Nut, sondern eine Katze
neben mir. Ich stand auf und folgte dem Geschrei meines Kindes in die
Küche.
Erst dort stellte sich heraus, dass Mitas nicht schrie, sondern lachte.
Kiya-Nut war damit beschäftigt die frisch gebackenen Brote aus dem
Ofen zu holen. Mitas bemerkte mich zuerst und fing an unverständlich
zu murmeln, erst daraufhin drehte sich meine Frau zu mir um, stand auf
und küsste mich. „Du musst gestern wirklich müde gewesen
sein, Liebster.“ „Es tut mir so Leid ich weiß nicht
wi....“ „Ist doch in Ordnung – mach dir nicht immer
so viele Gedanken!“ sie lachte und drückte mir ein warmes Brot
in die Hand.
Wir wollten uns gerade in den noch kühlen Vorraum setzten und unseren
Eintopf essen, als Tupthas völlig außer Atem in der Tür
stand. „Snorif, wir haben ganz gewaltige Probleme!“ Ich strich
Kiya-Nut und Mitas über den Kopf, gab beiden einen Kuss und eilte
mit dem Fladenbrot in der Hand mit Tupthas zur Kaserne.
„Was ist denn los?“ fragte ich „Ein Mann hat sich heute
früh beim Kommandanten über einen Medja beschwert, der ihn grundlos
zusammengeschlagen haben soll.“ Er wartete auf meine Antwort bekam
aber nur ein „Hm“ zu hören, weil ich noch immer mit meinem
Fladenbrot beschäftigt war. Daraufhin erzählte er weiter: „Er
allein ist aber nicht das Problem. Die Dorfbewohner von gestern fangen
auch an zu rebellieren und der Kommandant hat sie wieder rausgelassen,
weil wir ja nicht beweisen konnten, dass sie den Mann versteckten.“
Ich verstand noch nicht so recht, wo da das direkte Problem lag „Auf
jeden Fall fällt nun plötzlich jedem zweiten Händler ein,
dass er mal von Medjaju zusammengeschlagen worden war. Aber das eigentliche
Problem ist;“ er stoppte und sah mich direkt an. Diesmal musste
ich nicht über unseren Größenunterschied schmunzeln, nein,
ich durfte es nicht, denn sein Gesicht war dafür viel zu ernst, „Die
Beschreibung des ersten Mannes trifft genau auf dich zu. Der Kommandant
will dich deshalb zusammen mit ihm sprechen! Snorif, was hast du denn
mit diesem Kerl gemacht?“
Ich sah ihn fragend an, denn ich konnte mich nicht erinnern einen anderen
geschlagen zu haben bis auf die Dorfbewohner. „Vielleicht irrt er
sich ja.“ „Wollen wir es hoffen, Bruder, denn sonst sitzt
du gewaltig in Schwierigkeiten und ich mit dir!“ Ich muss ihn total
eingeschüchtert angesehen haben, aber es kam kein Lächeln, nichts
– es schien wirklich kritisch zu sein.
Als wir den Vorraum zu Mariskahre’s Amtsstube betraten, saßen
dort bereits die dicke Alte aus dem Dorf mit einigen Dorfbewohnern und
starrte uns wütend an. Einer von ihnen spuckte mir direkt vor die
Füße und murmelte zwar leise, aber so das es jeder der Anwesenden
hören konnte „Verfluchtes Pack!“ Hinter Tupthas betrat
ich Mariskahre’s Amtsstube. Darin saßen ein grimmig drein
guckender Kommandant und ein weiterer Mann, der ebenso zornig schaute.
Als ich mir diesen Mann genauer ansah, erkannte ich in ihm den Mann, dem
ich am Vorabend direkt ins Gesicht geschlagen hatte. Seine Nase war schief
– ich hatte wohl stärker zugeschlagen, als ich es beabsichtigt
hatte, denn diese Nase war definitiv gebrochen.
Als sich Tupthas und ich uns nebeneinander
vor dem Tisch des Kommandanten aufgestellt hatten, begann dieser: „Nun
Tupthas, auf deinen Wunsch hin habe ich Snorif als Feldwebel hier herschicken
lassen und nun so etwas!“ Sein Blick wanderte von Tupthas auf mich:
„Snorif, nicht wahr?“ „Ja, Herr“ Er ging zurück
zu seinem Tisch, rückte sich den Schemel zurecht und setzte sich
„Dieser Mann hier, ein ranghoher Offizier aus Kor, behauptet: gestern
von einem Medja brutal zusammengeschlagen worden zu sein.“ Er machte
eine Pause und alle Anwesenden warteten geduldig bis her fortfuhr „Nachdem
sich dein Offizier die Beschreibung angehört hatte, meinte er zu
wissen, wer gemeint sei und kommt mit dir hier wieder an. Und nun frage
ich dich Feldwebel Snorif; hast du diesen Mann schon einmal gesehen?“
Er blickte mich streng an, wie alle anderen die sich noch in diesem Raum
befanden und erwartete meine Antwort. Ich schluckte und sagte klar und
deutlich: „Ja, Herr.“ Stille. Ich vernahm ein kurzes „Hm“
aus der Richtung des Kommandanten, aber es konnte auch genauso gut von
dem Offizier kommen, der neben dem Tisch des Kommandanten saß und
sein Gesicht, samt schiefer Nase, in seine großen Hände gelegt
hatte. Mit seinen Ellenbogen stützte er sich auf seine wunden Beine.
Kommandant Mariskahre wandte sich zu dem Offizier: „Ist das der
Medja, der euch geschlagen hat, Herr?“ Der Mann blickte erst den
Kommandanten, dann mich und dann wieder den Kommandanten an bevor er antwortete:
„Ja, das ist er. Wie gedenkt ihr also ihn zu bestrafen?“ Er
war unhöflich und sah bei seiner Antwort nur den Kommandanten an,
ich schien für ihn nichts wert zu sein, ob nun, weil ich ihn geschlagen
hatte oder weil ich aus dem Lande Kusch kam.
Tupthas, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, mischte sich nun ins Gespräch
ein: „Herr, entschuldigt, aber ich bin mir sicher das mein Feldwebel
einen triftigen Grund gehabt haben muss den Offizier so zu schlagen!“
Während er das sprach, trat er unbewusst einen Schritt auf Mariskahre
zu. Herausfordernd sah er Mariskahre an, der sich daraufhin von dem Offizier
abwandte und seinen Aufmerksamkeit wieder auf mich richtete. „Nun?“
„Also...“ Ich war unsicher. Sollte ich alles sagen, vor allem
in welcher Situation ich ihn angetroffen hatte? „Kommandant, was
erwartet ihr? Er wird nun alles sagen, um seine eigene Haut zu retten!“
Mein Zorn über so eine Arroganz verlieh mir Mut:
„Er bezeichnete mich und andere meiner Herkunft als Wilde, die nur
glauben, dass sie in dieses Land gehören und doch verschwinden sollen,
Herr. Außerdem ist er auf mich losgegangen und hätte neben
mir beinnahe auch noch meinen Sohn verletzt, Herr, deshalb sah ich mich
gezwungen mich und mein Kind zu verteidigen allerdings.... muss ich zugeben,
dass es nicht meine Absicht war so hart zu zuschlagen, Herr. Vergebt mir.“
Im Augenwinkel sah ich, wie Tupthas ein Lächeln voller Stolz nicht
unterdrücken konnte. Erstaunt über so einen Widerspruch sah
Kommandant Mariskahre unterdessen den Offizier neben sich an, der sich
auf dem Schemel aufrichtete. „Herr, war es so?“ Mariskahre
erhob sich von seinem Schemel, während er auf die Antwort des Offiziers
wartete. Er wirkte nun größer und mächtiger.
„Nein – natürlich nicht! Was denkt ihr denn, Kommandant?“
Nun richtete auch er sich von seinem Schemel auf „Dieser Wilde versucht
euch zu täuschen, Herr!“ Nachdem der Offizier den Satz beendet
hatte, zog der Kommandant, mit dem Blick starr auf den Mann nebnen ihm,
eine Augenbraue nach oben und fragt nur: „Wilde, Herr?“ Noch
immer schien der Mann seine Fehler nicht bemerkt zu haben.
„Natür....- Das heißt; sagte ich Wilde? Niemals, was
ich sagen wollte... also, was ich eigentlich meinte...“Tupthas konnte
sich einleichtes Grinsen nicht verkneifen und auch ich musste mich zusammenreisen
„Herr, ich glaube es reicht. Am besten wird es wohl sein wir vergessen
die ganze Angelegenheit in ihren und in unserem Interesse!“
Zornig über sein Ungeschick und über eine solche Blamage drängte
er sich an mir und Tupthas vorbei hinaus zur Tür.
„Nun, meine Herren, Snorif, ich billige zwar nicht den harten Schlag,
doch ein Schlag ins Gesicht hat noch nie jemandem umgebracht!“ „Ja,
Herr!“ antworteten Tupthas und ich erleichtert im Chor.
Wir durchquerten gerade das Tor der Stadt
mit dem Mann, den wir im Dorf der Alten vermutet und nach langem Hin und
Her auch dort gefunden hatten, als uns der Offizier vom Vormittag entgegen
lief, doch anstatt uns zu grüßen, machte er einen großen
Bogen um Tupthas und mich und würdigte uns nicht eines Blickes. Nachdem
er außer Hörweite war, sahen Tupthas und ich uns nur kurz an
und lachten dann gemeinsam laut los „Du musst ihm ja ordentlich
Angst eingejagt haben!“ „Vielleicht war es aber auch Kommandant
Mariskahre?“ Wir lachten den ganzen Weg bis zu den Arrestzellen
in der Kaserne. Nachdem wir den Dieb dort abgeliefert hatten, machte ich
mich auf den Weg nach Hause, während Tupthas wieder zum Polizeischreiber
musste – er tat mir Leid.
Ich hatte noch nicht einmal den Vorraum völlig betreten, da kam mir
Mitas mit wackligen Schritten entgegen gelaufen. Es war eine wundervolle
Begrüßung. Das waren seine ersten Schritte ohne die Hilfe seiner
Mutter. Ich lies ihn in meine Arme laufen und nahm ihn voller Stolz auf
den Arm. „Wollen wir mal gucken gehen, was die Mama Schönes
macht, Mitas?“ Der Kleine schaute mich nur mit seinen großen
braunen Augen an. Als wir zwei auf dem Dach ankamen, saß Kiya-Nut
unter dem Strohdach und nähte irgendetwas.
„Hallo, Liebste! Wie geht es dir, fühlst du dich irgendwie
krank oder so?“ ich hockte mich neben sie „Nein, nicht doch,
Bruder, es ist alles so, wie es sein sollte. Glaube mir!“ Sie küsste
mich kurz auf die Wange und wandte sich wieder ihrer Näharbeit zu.
Sie schien mir vollkommen abwesend zu sein, aber dennoch froh und glücklich.
„Ist irgendetwas mit dir, Schwester?“ ich war noch immer nicht
von ihrem Gesundheitszustand überzeugt. „Es ist alles in Ordnung
und nun lass mich den Saum von deinem neuen Schurz fertig machen!“
neuer Schurz? „Aber wozu brauche ich denn einen neuen Schurz?“
„Na, für das Fest heute Abend! Wir werden mit Tupthas zu dem
Fest zu Ehren von Sachmet gehen.“ „Und warum sagt mir das
niemand? Ich meine ...“ „Du bist wundervoll, aber mach dir
nicht immer so viele Sorgen! Und jetzt probier ihn mal an – ich
will sehen ob ich ein gutes Augenmaß habe – komm schon!“
„Ihn, wen ihn?“ „Den Schurz, Liebster, du sollt den
Schurz anprobieren!“ Ihrer Bitte folgend probierte ich ihn aus und
er saß wie angegossen.
Der jadefarbene Saum sah wirklich gut aus und ich beschloss Kiya-Nut den
Gefallen zu tun und ihn abends beim Fest zu tragen.
Wir wahren gerade mit dem Verbandswechsel fertig geworden,
denn der Stich von dem Holzsplitter wollte nicht so recht verheilen. Umso
wichtiger war es, dass wir auf dem Fest erschienen um Sachmet eine Gans
zu opfern.
Tupthas erschien mit einem wadenlangen Schurz und war bereits vor dem
Fest leicht angetrunken. Ich trug, wie ich es Kiya-Nut versprochen hatte,
den neuen Schurz mit dem jadefarbenen Saum und sie trug ein leichtes weises
Kleid, dass jede Einzelheit ihres zarten Körpers hervor hob –
Sie sah darin einfach wunderschön aus.
Überall spielten Musiker ihre Lieder. Tänzerinnen zeigten dazu
ihr Programm und Marktschreier schrien um die Wette. Es war ein heilloses
Durcheinander, aber wir drei amüsierten uns prächtig.
Als wir gerade an einem Tisch saßen und uns eine große Gans
gönnten, wir hatten alle drei bereits einiges von dem Feigenwein
getrunken, wurde Tupthas plötzlich auf ein Mädchen aufmerksam,
die mit einem großen Korb auf dem Kopf durch die Massen schritt.
Sie war recht jung – 15 oder 16, also kaum älter als Kiya-Nut.
Meine Frau und ich tauschten Blicke, nachdem wir einige Zeit zugesehen
hatten, wie Tupthas dem Mädchen hinterher starrte. „Na los
– trau dich! Mehr als versetzten kann sie dich nicht.“ Ich
nickte meiner Frau zustimmend zu.“ Genau: Liebe solange du noch
jung bist, denn jemand der nicht geliebt hat ist wie einer, der nie gelebt
hat – und das wäre ja schade drum!“ nun sah ich Tupthas
zum ersten Mal sprachlos und verwirrt. Nach einem kurzen Augenblick, in
dem er wahrscheinlich gedanklich seine Chancen abgeschätzt hatte,
grinste er uns kurz an, stand auf und ging zu dem Mädchen hinüber.
Er flüsterte ihr etwas ins Ohr und sie gingen zusammen ein Stück
und verließen dabei unser Blickfeld.
Kiya-Nut lehnte sich an mich, streichelte meinen Oberkörper und meinen
Bizeps und sagte leise: „Ich liebe dich!“ Ich küsste
sie zärtlich und lange. „Ich liebe dich auch, Schwester.“
Das ist nun also die Fortsetztung.
Das ist ein sehr bewegender Moment für mich *schnief* Danke an die
ganzen lieben Schreiberlinge die mir im Ägypten-Forum meine vieln
Fragen beantwortet haben, damit die Geschichte auch richtig wird
Danke Leute
|