Kurzgeschichte zur Zeit Echnatons
Autor: Nefermiu
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TEIL 1

Ich lag im Schatten einer Dattelpalme und döste vor mich hin. Es war Mittag, die Sonne stand im Zenit und erfüllte das ganze Land mit ihrer Glut. Doch niemand stöhnte, nicht die Priester, die an mir vorbeieilten, nicht die Tempelwachen und auch nicht die Kinder, die sich unter anderen Palmen und Sykomoren tummelten und dem Senet-Spiel nachgingen. Denn jeder Ägypter wusste, dass Ra uns allen das Leben geschenkt hatte und nur seine Strahlen es ermöglichten, dass der Weizen und die Gerste an den Nilufern gediehen. Ich wischte mir den Schweiß aus dem Gesicht, öffnete kurz die Augen, um zu sehen, ob er nicht da war, und nickte schließlich ein.
Ich konnte nicht lange geschlafen haben, als eine Fliege immer wieder um meinen Kopf kreiste und ein störendes Brummen von sich gab. Gerade wollte ich mit einer Hand nach ihr ausholen, um sie zu verscheuchen, da hörte ich ihn: Djedefwesir, Vierter Prophet des Osiris im Tempel von Abedju. Ich blickte zum mächtigen Eingangspylon des Heiligtums mit seinem riesigen, bewachten Zederntor und den es flankierenden Standarten hinüber und beobachtete, wie Djedefwesir wild mit seinen Armen herumfuchtelte, während er mit der Tempelwache sprach. Zwar befand ich mich zu weit von ihnen entfernt, um einzelne Worte zu verstehen, doch ich wusste, dass es um mich ging und der Priester mich suchte.
Ich mochte Djedefwesir nicht. Er war ein älterer Mann, sein Kopf war – wie bei uns Priestern üblich – kahlgeschoren, und er trug ein weißes Gewand. Obwohl er nur Vierter Prophet war, führte er sich manchmal auf, als wäre er der Hohepriester höchstpersönlich, besonders dann, wenn er den untersten Priestern und Tempeldienern Befehle erteilte. Es gab Tage, an denen wünschte ich mir, Djedefwesir wäre tatsächlich der Erste Prophet des Heiligtums gewesen und der eigentliche Hohepriester, Neferwab, der Vierte Prophet. Denn dann wäre nicht dieser Wichtigtuer mein direkter Vorgesetzter gewesen, sondern Neferwab, der zwar noch älter als Djedefwesir war, aber auch weitaus gütiger, freundlicher und vor allem weiser. Er lebte ganz im Dienste des Osiris, und obwohl der Osiristempel von Abedju eines der wichtigsten Heiligtümer in Ägypten war, so war Neferwab doch wahrscheinlich auch der einzige unter den wenigen wirklich mächtigen Ersten Propheten des Landes, der für die Götter lebte und sterben und nicht seinen eigenen Nutzen aus seiner hohen Stellung ziehen wollte. Doch so war Djedefwesir mein Vorsteher, zumindest wenn er wieder etwas an meiner Arbeit auszusetzen hatte. Wenn er ausnahmsweise zufrieden war, schickte er lieber einen seiner heuchlerischen Lakaien vorbei, um durch sie sein Lob ausrichten zu lassen – natürlich mit der unterschwelligen Betonung, dass ich meine Aufgabe zwar gut verrichtet hatte, eine Steigerung jedoch immer möglich sei.
Ich erkannte mit Bedauern, dass die Tempelwache, mit der sich Djedefwesir unterhielt, plötzlich in meine Richtung zeigte, musste jedoch lächeln, als ich daraufhin beobachtete, wie der Vierte Prophet bei meinem Anblick einen Tobsuchtanfall erlitt. Er stapfte mit festem Schritt auf mich zu und rief: „Ranofer, du Fliegenhirn! Auch ein Wab-Priester muss seine Pflichten erfüllen, wann verstehst du das endlich? Ihr alle habt doch nicht den Wein verdient, den Osiris uns schenkt, und die Gerste, die Isis uns gab. Wieso versteht ihr niedrigen Priester das nicht? Und du bist der Schlimmste von allen…!“
Ich ließ Djedefwesir weiter zetern, ohne richtig zuzuhören. Ich kannte seine Worte eh schon auswendig, es waren immer die gleichen. Im Geiste zitierte ich sie schon mit. Langsam erhob ich mich, strich den Sand aus meinem Gewand und blickte mein Gegenüber an, welches mich nun erreicht hatte. Djedefwesir hatte mich absichtlich nicht gebeten aufzustehen, denn so hätte er auf mich herabblicken können. Ich war jedoch aufgestanden, nicht aus Ehrerbietung, sondern weil ich wusste, dass es ihn maßlos verärgern würde, dass ich nun, da ich mich gänzlich erhoben hatte, einen Kopf größer war als er.
Bevor Djedefwesir seine Standpauke fortsetzen konnte, hörten wir beide mit einem Mal den Lärm einer näher kommenden Menschenmasse, die die Längsseite der scheinbar endlos langen Umfassungsmauer des Osiristempels entlanglief und damit geradewegs Richtung Eingangspylon und auf uns beide zusteuerte.
„Sie mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede“, fauchte mich Djedefwesir plötzlich an. „Lass die Leute kommen. Sie wollen Osiris nur ihre Ehre erweisen. Einfache Menschen sind sie, und doch haben sie mehr Respekt vor ihrem Gott als du als Wab-Priester in einem der wichtigsten Heiligtümer des Landes!“
Als ich den Vierten Propheten trotz aller Worte nicht beachtete, blickte er erneut zu der sich nähernden Menschenmasse, von der ich mein Augenmerk keine Sekunde abgewandt hatte. Sie wurde von vier Soldaten angeführt, die einen weißen Schurz, eine Lanze mit Bronzespitze und ein goldenes Kettenhemd trugen. Es gab nur wenige Krieger in dieser Kleidung, denn für den Kampf war zumindest das Hemd nicht gemacht: Es war Pharao Nefercheprure Amenhoteps Leibgarde. Hinter der Garde trugen weitere Soldaten eine Sänfte, gänzlich aus Gold, in dem sich Ras Strahlen brachen und so den Eindruck vermittelten, dass ein Gott persönlich anwesend war, umgeben von seiner funkelnden Ewigkeit. Den Abschluss bildeten wieder vier Leibgardisten, die wie fast alle königlichen Soldaten aus dem südlichen Nubien zu sein schienen. Schließlich folgte ihnen allen eine Traube aus Priestern, Handwerkern, Bauern, Frauen und Kindern. Auf Höhe der Sänfte lief niemand, denn es war ihnen verboten, sich dem Pharao gleichzustellen.
Der Pulk hatte fast den Eingangspylon erreicht, als Djedefwesir ihm entgegeneilte und sich vor ihm in den Sand schmiss, die Arme nach vorn ausgestreckt, das Gesicht zu Boden. Die vier Leibgardisten zuvorderst blieben stehen und hielten damit die ganze Masse an, die auf mich den Eindruck wie ein einziges Lebewesen in einer Symbiose aus vielen einzelnen machte. Die beiden innen laufenden Soldaten stellten sich jeweils hinter einem der nun außen stehenden Gardisten, so dass der Blick auf die Sänfte frei wurde. Drei Nubier und ein Hethiter – zumindest schien es mir einer zu sein – ließen die Sänfte von ihren starken Schultern herabgleiten und setzten sie vorsichtig auf den Sand auf, so dass der Pharao und seine Gemahlin Nofretete nur einen kleinen Ruck verspürten.
„Lebendiger Horus, ich grüße euch!“ sprach Djedefwesir laut, aber erkennbar ehrfürchtig und ohne dabei aufzusehen. „Wenn dein ergebener Untertan gewusst hätte…“
„Schweig!“ rief einer der Gardisten, der dann mit glitzernden Augen und einem Gesichtsausdruck voller Strenge und Autorität in meine Richtung sah. Er rannte plötzlich auf mich zu, fasste mir grob an den Arm und schubste mich wuchtig zu Djedefwesir.
„Knie nieder vor deinem Gott!“ schrie er, während er mich gewaltsam in den Sand schleuderte.
Ich stieß mit dem Kinn hart auf einem von Sand verdeckten Stein auf, biss mir auf die Zunge und schmeckte Blut. Hastig kniete ich mich ordentlich und so tief wie möglich hin, berührte mit meinen Bauch schon den heißen Wüstensand und schaute hoch. Keinen Schritt von mir entfernt erhob sich Nefercheprure Amenhotep majestätisch wie ein riesiger Obelisk in die Höhe und starrte auf mich herab. Er trug einen langen, weißen Schurz, und sein Oberkörper war von einem ebenfalls weißen Stoff bedeckt, der an fast allen Stellen über und über mit Goldfäden bestickt war. Von seinem Kopf hing ein weißes Kopftuch bis zu seinen Schultern hinab, welches von einem goldenen Stirnband gehalten wurde, in dem ein runder Amethyst eingelegt war, von dem aus goldenen Strahlen nach untern führten: Aton!
Ich hatte meinen Pharao, dem ich das erste Mal in meinem Leben leibhaftig begegnet war, nicht länger als den Bruchteil einer Sekunde angeguckt, als ich den Tritt eines Leibgardisten in meinem Gesicht spürte. Ich hätte schreien können vor Schmerzen, doch ich blieb ruhig kauerte mich zusammen und wimmerte leise vor mich hin, während ich mein Gesicht so dicht am Boden hielt, dass ich den Sand fast schmecken konnte.
„Blicke nie wieder in das göttliche Antlitz deines Gebieters!“ brüllte mich der Nubier an.
„Doch“, widersprach ihm Amenhotep leise und dennoch so übermächtig, dass der Leibgardist stramm stand und er seine Augen betroffen zu Boden richtete. „Sieh mich an, Priester!“
Ich verharrte in meiner zusammengekauerten Stellung, ließ meinen Rücken rund, wie er war, und legte vorsichtig und ganz langsam meinen Kopf in den Nacken. Ich sah die goldenen Sandalen des Pharaos, sein Gewand und schließlich sein langgezogenes Gesicht, dessen durchdringende blaue Augen mich in geheimnisvoller und überirdischer Weise durchbohrten. Die Sekunden verrannen. Die Sonnenstrahlen stachen auf mich und alle Umstehenden herab wie Glutschwerter aus der Unterwelt. Schweiß perlte von meiner Stirn, bahnte sich seinen Weg über meine Wangen und tropfte in den Sand.
Amenhotep lächelte fast unmerklich und sanft wie ein Kind. Er bückte sich zu mir nieder, sah mich erneut durchdringend an, näherte sich mit einer Hand meinem Gesicht und fing mit dem Zeigefinger einen Schweißtropfen auf, der gerade von meiner Wange zu Boden fallen wollte. Ich zitterte innerlich, doch ließ ich mir nichts anmerken und starrte weiter meinen Herrn an. Er zerrieb den Tropfen zwischen Daumen und Zeigefinger, grinste mich an und stand wieder auf.
„Seht ihr, Diener meines Thrones, Bewohner des Nils?“ rief Amenhotep so laut, dass ihn niemand in der Nähe überhörte. „Aton ist überall. Dieser Mann lag vor meinen Füßen und tat nichts, und doch schwitzt er, weil Atons heiße und gütige Strahlen ihn berührten. Aton ist immer und überall. Er wacht über uns, über euch und über mich. Er ist unser Herr, und er allein gibt uns unser Leben!“
Amenhotep legte eine Pause ein. Ich war nur froh, dass er mich nicht mehr unmittelbar beachtete. Wie der Pharao mit seiner Rede beschäftigt war, erhaschte ich einen kurzen Blick auf Nofretete, die einen Schritt hinter ihrem königlichen Gemahl stand und von diesem die ganze Zeit über verdeckt worden war. Sie trug ein eng plissiertes Kleid, welches ihre wohlgeformten Brüste betonte, und eine blaue Krone, geschmückt mit Golduräen. Ich war sofort fasziniert von ihr, so fasziniert, wie mich noch nie eine Frau in ihren Bann gezogen hatte. Diese vollen Lippen, die stolzen, braunen Augen, die in die Ferne funkelten wie ein Stern in die Unendlichkeit, diese… und dann, von einer Sekunde zur nächsten, drehte sie ihren Kopf leicht und schaute mir direkt in die Augen. Ich weiß nicht, was es war, dass ich mich in diesem Augenblick in die Große Königliche Gemahlin verliebte. Vielleicht war es ihr Blick voller jeder erdenklichen Majestät, ihre fast göttliche Erhabenheit oder dieses schwache Lächeln, dass sie mir schenkte, ohne dass es jemand bemerkte, ein Lächeln, dass sie mir nie hätte schenken dürfen. Der König und seine Familie mussten niemanden beachten, niemanden fürchten, niemanden eines Blickes würdigen – und erst recht nicht einem der unwichtigsten und niedrigsten Priester im Lande anlächeln!
Ich hätte gerne zurückgelächelt, Nofretete gezeigt, dass sie mir gefiel – doch was hätte es sie interessiert? Sie wusste von ihrer unendlichen Schönheit, ihrer Göttlichkeit und Unnahbarkeit. So blieb meine Mine starr und fest. Ich lobte mich selbst dafür, denn Amenhotep legte seine Aufmerksamkeit wieder auf mich. Was hätte er wohl veranlasst, wenn er bemerkt hätte, dass ich seiner göttlichen Gemahlin zulächelte? Ich wollte es lieber gar nicht wissen und verdrängte den Gedanken.
„Welchem Gott dienst du, Priester?“ fragte der Pharao mich.
„“Ich diene dem großen Osiris, mein Gebieter, dem Herrn der Unterwelt und dem Vater des Horus, getötet von seinem Bruder Seth und wieder auferstanden durch Isis und Thot, dem Schöpfer…“
Amenhotep machte eine Geste, die mich zum Schweigen brachte.
„Hast du ihn jemals gespürt?“
„Ich verstehe nicht, Gebieter…“
„Hast du Osiris jemals in dir gespürt“, wiederholte der Pharao geduldig. „Seinen Geist in deinem, seinen Körper auf deinem, seine Macht gegenüber deiner Unterwürfigkeit?“
Mir wurde heiß, noch heißer, als es so schon war. Ich schwitze immer mehr und überlegte fieberhaft, was ich dem Guten Gott antworten sollte. Wenn ich ehrlich war, wusste ich weder, was für eine Antwort er sich wünschte und erwartete, noch worauf er überhaupt hinauswollte.
So antwortete ich: „Gebieter, tragen wir nicht alle die Götter in unseren Herzen? Wir lieben sie mehr als unser eigenes Leben, wir beten zu ihnen, dienen ihnen, leben für sie und für dich. Ich bin Priester im Osiristempel von Abedju. Ich verehre Osiris, den Gott meines Vaters und Großvaters.“
Tödliche Stille.
„Du hast ihn niemals gespürt?“ fragte Amenhotep ein drittes Mal nach.
„Ich liebe ihn mehr als mein Leben!“
„Du hast ihn also nie gespürt“, stellte der Pharao vollkommen ruhig und besonnen fest. „Ist Aton nicht der einzige, den wir jemals gespürt haben? Seine Strahlen auf unserer Haut. Er erleuchtet unsere Häuser, unser Leben und unsere Seelen. Nur ihn fühlen wir jeden Tag, Darum, Bewohner Kemets, verkündige ich euch, dass von nun an nur noch ein Gott auf unserem Boden verehrt werden soll: Aton, der Allmächtige, der einzige und wahre Gott, der mit uns ist und den wir spüren und sehen, und ich, euer Pharao, werde sein alleiniger Prophet sein, nicht mehr nach dem schändlichen Amun Amenhotep genannt, sondern von nun an Echnaton.
Die Tempel von Abedju werden von heute an geschlossen bleiben, und der Name des Osiris und des Amun und aller anderen Götter soll von den Wänden aller Heiligtümer getilgt werden. Jeder von euch wird Aton seine Treue schenken. Eine wunderbare Ehre erweist euch Aton, denn Abedju ist die erste große Stadt, die diese neue und unbeschreibliche Idee, die mir Aton selbst zugeflüstert hat, verwirklichen wird. Abedju soll die erste Stadt sein, die nur noch für Aton leben wird. Und wenn ich mich von eurer Treue überzeugt habe, werde ich weiterreisen und meinen göttlichen Plan in ganz Ägypten verbreiten, von hier bis nach Abu und Nubien, bis Khemenu, Iunu und ins Delta, bis nach Retjenu hinein und vor allem bis nach Theben, der Stadt des gestürzten Amun!“
Echnatons Worte hallten von der Tempelmauer wider. Niemand sagte etwas und wagte es, laut zu atmen. Ich hörte wieder nur das Brummen einer Fliege, doch diesmal störte es mich nicht. Viel zu sehr konzentrierte ich mich auf die Rede meines Pharaos, der soeben den Monotheismus verkündet und alle anderen, seit tausenden von Jahren verehrten Götter außer Aton verboten hatte. Ich vernahm ein leises Keuchen von Djedefwesir, dachte an Osiris, Amun, den Tempel von Abedju, die Priester, meine Freunde und Kollegen, doch übrig blieb nur eine tiefe Leere in mir.
„Wirst du Aton dienen?“ fragte Echnaton an Djedefwesir gewandt, der dennoch nicht aufsah.
„Ja, Herr“ antwortete der Vierte Prophet. Und er wusste, dass er log und Osiris in seinem Herzen weiter verehren würde. Und er wusste, dass ich es wusste. Doch diesmal macht mich meine Überlegenheit nicht glücklich.
„Gut, dann kannst du ihm auch gleich deine Loyalität beweisen und mich zu den drei höheren Propheten deines Tempels bringen!“
Der Hohepriester Neferwab ist auf Reisen, Gebieter, und mit ihm der Dritte Prophet Wesirhotep!“
„Das macht nichts“, erwiderte Echnaton lächelnd. „Führe mich zum Zweiten Propheten. Er und du, ihr werdet die ersten sein, die den Namen des Osiris aus den Wänden des Heiligtums meißeln werden. Die übrigens Priester werden euch folgen. Du wirst verstehen, dass ich euch leider bewachen lassen muss.“
„Ja, Herr“, presste Djedefwesir hervor, der einer Ohnmacht nahe war.
Echnaton und Nofretete wurden in ihrer Sänfte in den Schatten der Palmen getragen, die vor kurzem noch mir Schutz vor der Sonne gegeben hatten. Vier nubische Wedelträger, kaum mehr als mit einem kurzen Schurz bekleidet, fächelten dem Paar kühle Luft zu. Die Leibgarde gebot der Menschenmenge, sich in einem bestimmten Abstand zum Pharao zu halten. Zwei Gardisten liefen in die Richtung, aus der sie eben gekommen waren, und kehrten wenig später mit etwa vierzig weiteren Soldaten zurück.
Als Echnaton sie kommen sah, trat er zu dem noch immer versteinerten Djedefwesir und an mich heran, denn er hatte uns befohlen, in der prallen Sonne, die Beine auf dem heißen Sand und den Oberkörper nach vorne ausgestreckt, auszuharren, als wären wir auch noch froh darüber, gebraten zu werden und Atons Strahlen zu empfangen.
„Führe mich zum Zweiten Propheten. Dein Wab-Priester darf uns begleiten!“
So ließ später Nubra, der Zweite Prophet, alle Priester des großen Osiristempels in einer angenehm belüfteten Vorhalle versammeln. Die vierzig Soldaten stellten sich abseits an die Wände. Echnaton erließ, dass jeder Priester unter Aufsicht seiner Soldaten jeden Namen eines Gottes in den eingemeißelten Hieroglyphenteten auslöschen sollte, bis kein einziger mehr zu lesen sei. Nur Atons Manifestationen wie Ra oder Re-Harachte durften stehen bleiben, ebenso wie die Namen der verstorbenen Pharaonen, die sich im Heiligtum verewigt hatten. Da viele Könige jedoch einen Götternamen als Bestandteil des eigenen Namens aufwiesen, wurden viele ihrer Kartuschen ebenfalls teilweise zerstört, auch der von Echnatons Vater Nebmaatre Amenhotep. Wer sich dem Befehl widersetzte wurde zum Tode verurteilt. Festgebunden an einem Pfahl im Wüstensand, ausgesetzt der Sonnenglut, kein Wasser. nur der Verurteilte und Aton, der seinen Widersacher schnell dahinraffen würde.
Die Arbeit dauerte mehrere Tage. Zwei Priester wählten den Wüstentod, die übrigen Gottesdiener einschließlich mir gehorchten, und so meißelten wir in Akkordarbeit alle Götternamen aus den Wänden. Als wir unser schändliches Werk vollendet hatten, wurde der Tempel verschlossen, sein Eingang verbarrikadiert. Die Tempelwachen wurden durch weitere Soldaten des Pharaos ersetzt, und unser Priesteramt war praktisch nichts mehr wert. Wir waren nun die Diener eines Gottes, der nicht mehr existierte.
Echnaton ließ dieses Verfahren mit allen Heiligtümern von Abedju wiederholen, egal wie groß oder klein und welchem Gott sie auch errichtet worden waren. Niemand wollte glauben, was er sah und hörte, doch die meisten gingen den Befehlen des Pharaos nach. Nur wenige zogen den Tod vor, wurden an die Pfähle in der Wüste gebunden, starben spätestens am nächsten Tag und wurden dann den Hyänen überlassen. Andere wurden lebendig von den Tieren in der Wüste zerfleischt, denn die Pfähle wurden nur teilweise von königlichen Wächtern bewacht.

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