Mythologie: Amun
galt als einer der wichtigsten Götter Ägyptens und wird zum
ersten Mal bereits in den Pyramidentexten erwähnt - dort allerdings
noch zusammen mit seiner Gemahlin Amaunet und als Mitglied der Achtheit
von Hermopolis. Außerdem sah man ihn noch als Schöpfergott
in Gestalt einer sicher selbst erneuernden Schlange: Amun kamutef ("Der,
welcher seine Zeit vollendet hat").
Als Lokalgott des thebanischen Gaues ist Amun mindestens seit der 11.
Dynastie bekannt, da während dieser Zeit vier Herrscher (Amenemhet)
seinen Namen in ihrem Thronnamen trugen. Innerhalb kurzer Zeit verdrängte
Amun den alten Gott dieser Region - Month - und wurde durch den Aufstieg
der thebanischen Herrscher-Dynastie während des Mittleren und Neuen
Reiches zum höchsten Gott des ägyptischen Pantheon. Verbunden
war Amun mit zwei anderen Gottheiten zu einer lokalen göttlichen
Triade von Theben. Die Göttin Mut ersetzte dazu seine vorherige
Gemahlin Amaunet und der Mondgott Chons wurde als ihr gemeinsamer Sohn
verehrt.
Im Laufe der Jahrtausende entwickelte sich aus Amuns ursprünglichem
Charakter eine facettenreiche Persönlichkeit, was auch durch seinen
Namen "Amun ascha renu" ("Amun, reich an Namen")
noch unterstrichen wird. Oft wird es daher schwierig durch die vielen
Charaktereigenschaften, Gestalten und Aspekte den Gott zu erkennen und
nicht durcheinander zu kommen.
Plutarch zitiert Manetho mit der Aussage, Amun würde
"das, was verborgen ist" oder "unsichtbar" bedeuten.
Auch erhielt der Gott für gewöhnlich den Beinamen "geheimnisvoll
an Gestalt" und es ist daher gut möglich, daß sich der
Name ursprünglich auf Amun als die unsichtbare Macht des Windes
bezog. Obwohl sich daraus Ähnlichkeiten mit anderen Göttern
ergeben, war der Aspekt des geheimnisvollen, verborgenen Gottes der
ursprünglichste und ausschlaggebenste Teil seiner Natur.
Im Totenbuch wird Amun sogar als "Ältester der Götter
des östlichen Himmels" bezeichnet, was sowohl seinen Urcharakter
als Schöpfergott, als auch seine mit der Sonne verknüpfte
Natur zum Ausdruck bringt. Zusätzlich wird auf einer Stele, die
sich heute im British Museum befindet, im sog. "Amun-Hymnus"
aus der 18. Dynastie Bezug auf selbigen Gott genommen, wie er als Harachte
aufgeht und dabei als Verborgener direkt mit der Sonne verschmilzt.
In Gestalt einer mit Re vereinigten Gottheit übernimmt Amun-Re
eine Reihe von Zügen des Sonnengottes.
Als "Amun kamutef" war er seit der 12. Dynastie der "Stier
seiner Mutter" und wurde auf rituellen Szenen im Tempel von Theben
und im Luxor-Tempel in ithyphallischer Gestalt dargestellt. Dieser Beiname
soll wohl darauf hinweisen, daß Amun aus sich selbst hervorkam,
daß er sich also mit seiner Mutter, der Himmelskuh, selbst zeugte.
Aber auch, daß er die sexuelle Kraft des Stieres - für die
Ägypter das Symbol von Stärke und Fruchtbarkeit schlechthin
- verkörperte.
Da Amun, wie schon beschrieben, den Gott Month nahezu
vollständig ersetzte, übernahm er dadurch auch dessen kriegerische
Aspekte. Bei der Vertreibung der "Fremdländer" (Hyksos)
gegen Ende der 17. Dynastie wurde Amun ein Großteil der Verdienste
für die militärischen Siege dieser Zeit zugesprochen. Im folgenden
Neuen Reich galt Amun daher nicht nur als Beschützer des Königs
in der Schlacht, sondern wurde vielmehr noch zusätzlich mit den
Namen "Herrn des Sieges" und "Geliebter der Stärke"
verehrt.
Weiteres Zeichen seiner Machtfülle war die Erwähnung
im Pyramidentext 1540: "Du bist, o König, als Sohn des Geb
auf den Thron des Amun gekommen." Dies heißt nichts anderes,
als das Amun zum König der Götter aufgestiegen war, was noch
durch seine Bezeichnung seit dem Mittleren Reich - "Herr der Throne
der beiden Länder" - untermauert wurde. Erstmals taucht die
Bezeichnung "König der Götter" auf der "Weißen
Kapelle" Sesostris´ III. aus der 12. Dynastie in Karnak auf,
danach wird dieser Titel häufiger verwendet. In selbiger Rolle
als göttlicher König wurde er auch "Oberhaupt der Götter"
genannt. Zu ptolemäischer Zeit setzte man ihn sogar unmittelbar
mit Zeus gleich.
Im Gegensatz zu anderen Gottheiten, von denen man glaubte,
sie verkörperten den Himmel, die Erde oder eine andere begrenzte
Region oder Erscheinung, hielt man Amun für einen universellen
Gott, welcher den Kosmos und alles darin Enthaltene durchdringt. Als
Gott, "der in allen Dingen existiert" und denjenigen, in dem
alle Götter zusammengefaßt wurden, kam Amun einer monotheistischen
Gottheit besonders nahe und wurde sogar manchmal als der Ba oder die
Seele aller natürlichen Existenzen verehrt.
Ikonographie: Die verbreitetste Erscheinungsform Amuns war
anthromorpher Natur. Er trug dabei einen Lendenschurz, an dem oftmals
ein Stierschwanz befestigt war, eine Tunika mit Federmuster und eine
mit Federn geschmückte Doppelkrone. Normalerweise hatte Amun auf
diesen Bildnissen rote Haut, wie die meisten anderen Götter auch,
aber seit der Amarnazeit wurde er auch mit blauer Haut gezeigt, wohl
um seine Aspekte als Gottheit der Luft und der Ur-Schöpferkraft
zu symbolisieren. Darstellungen zeigen Amun des öfteren in schreitender
Pose, in Gestalt von Amun-Min mit geschlossenen Beinen stehend und wie
es sich für den König der Götter gehört auch oftmals
auf einem Thron sitzend.
Wohl wegen seiner Zeugungskraft konnte die Gestalt eines Widders Amun
symbolisieren. Der Weg zu Amuns Haupttempel in Karnak wird daher von
auf dem Bau liegenden Widdern oder widderköpfigen Löwen flankiert
und die große Festbarke des Amun "Herr der zwei Hörner"
war an Bug und Heck mit Widderköpfen verziert. Gelegentlich sieht
man Amun auch als Mensch mit einem Widderkopf, einer Gestalt, die man
leicht mit der des abendlichen Sonnengottes verwechseln kann.
Die Gans war ebenfalls ein Symbol Amuns, was vermutlich
auf ihrer Verbindung mit der Erschaffung der Urwelt begründet.
Aus selbem Grund konnte Amun auch als Schlange dargestellt werden. Schließlich
konnte Amun auch - durch seine Verbindung mit dem Sonnengott - auch
mit dem Löwen vereinigt werden.
Kult: Obwohl Amun seit dem Mittleren Reich große
Bedeutung erlangte, ist uns sehr wenig über seine Verehrung davor
bekannt. Seine größten Tempel befanden sich natürlich
in Theben selbst auf dem östlichen Nilufer. Sein Haupttempel in
Karnak, von den Ägyptern "Ipet-sut" (der "bevorzugteste
aller Orte") genannt, ist eines der größten jemals geschaffenen
religiösen Bauwerke und bestand aus einer riesigen Anlage, die
neben Amuns eigenem Tempel auch mehrere Nebentempel anderer Götter
enthielt. Dieser Komplex war über einem Prozessionsweg mit dem
Luxor-Tempel - "Ipet resit" (den "südlichen Privatgemächern")
- verbunden, wohin Amun alljährlich beim Opet-Fest gebracht wurde.
Diese wichtigste Feierlichkeit zu Ehren Amuns hatte die Zielsetzung,
Amun in Gestalt des ithyphallischen Fruchtbarkeitsgottes Amun-Min zu
seiner Vereinigung mit der göttlichen Gemahlin Mut zu feiern. Andere
Tempel besaß Amun auf dem thebanischen Westufer: z.B. Deir el-Bahari,
Medinet Habu.
Infolge vieler erfolgreicher Schlachten, deren Ausgang dem Wohlwollen
Amuns zugeschrieben wurde, füllten sich die Schatzkammern des Gottes
beträchtlich. Zur Zeit Echnatons hat die Amun-Priesterschaft durch
den Reichtum ihres Gottes bereits eine (zu?) hohe Macht inne hatte.
Ob der radikale religiöse Umbruch unter Echnaton dieser Entwicklung
zugrunde liegt, darüber kann heute nur spekuliert werden. Amun
erlitt durch die Amarna-Zeit zahlreiche Verluste - nicht nur was seine
religiöse Vormachtstellung anging, sondern auch den Reichtum und
seinen Einfluß. Es gelang jedoch, diese wieder zu erlangen und
unter Ramses III. gehörte Amun ein guter Teil der landwirtschaftlichen
Ländereien. Gegen Ende des Neuen Reiches war der Gottheit sogar
wieder so mächtig geworden, daß sein Hohepriester, der "Erste
Gottesdiener des Amun" mächtig genug war, mit den derzeit
herrschenden Pharaonen im Norden zu konkurrieren vermochte.
Zur Zeit der 21. Dynastie wurde
ein Brauch eingeführt, daß die Tochter des amtierenden Herrschers
Amun als "Gottesgemahlin" geweiht wurde. Dieser Brauch diente
der Wahrung des Gleichgewichts zwischen Ägyptens irdischen Herrschern
und ihrem göttlichen König. Unter der kuschitischen Herrschaft
während der 25. Dynastie wurde diese Tradition beibehalten und
der Amun-Kult dadurch sogar belebt. Selbst als Theben 663 v. Chr. von
den Assyrern geplündert wurde besaß Amun noch einen großen
Einfluß und Alexander der Große ließ ihm unter dem
Namen "Zeus-Ammon" huldigen.
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