TEIL 3
Das Schiff schaukelte ruhig auf und ab,
während es sich langsam auf dem Nil vorwärts bewegte. Re erwachte
gerade erst und die Luft war noch angenehm kühl. Kiya-Nut stand neben
mir und blickte kritisch auf die Felder, die entlang des Nils lagen. Seit
einer Woche waren wir nun schon unterwegs und heute würden wir endlich
in Darbenati, einer kleinen Stadt im Lande Wawat ankommen.
Kiya-Nut hielt unseren einjährigen Sohn Mitas fest in ihren Armen.
Er schlief. „Snorif?“ Kiya-Nut sah mich nun direkt mit ihren
dunklen, wunderschönen Augen an. Ihre langen lockigen Haare wehten
leicht im Wind und verdeckten einen Teil ihres Gesichtes. Ich drehte mich
zu ihr um und wir sahen uns direkt an. „ich habe Angst, Snorif!“
Sie lehnte sich an mich und ich fühlte auf meinem nackten Oberkörper,
dass sie anfing, zu weinen. Es war wie bei unsrer ersten Begegnung und
auch dieses Mal umarmte ich sie vorsichtig.
Nachdem Mitas vor einem Jahr in Buto zur Welt gekommen war,
sollte ich zukünftig als Feldwebel in Darbenati dienen. Es brachen
heftige Diskussionen zwischen Kiya und mir aus, denn ich wollte einwilligen,
weil ich als Feldwebel besser für sie und Mitas sorgen könnte;
Kiya-Nut dagegen war mit ihrem bisherigen Leben vollauf zufrieden und
wollte weder ihre Heimat noch ihre Familie verlassen. Nun würden
wir von vorn anfangen müssen; weitab von unseren Lieben.
„Es ist gut für uns gesorgt. Man erwartet unsere
Ankunft und wird uns in einem kleinen Häuschen unterbringen. Mach
dir keine Gedanken, ich pass auf euch auf.“ Ich umschloss sie nun
völlig mit meinen Armen und streichelte zärtlich über ihr
Haar. „Herr?“ fragte eine kindliche Stimme „wir werden
gleich da sein.“ Ich blickte zu ihr hinüber und sah einen etwa
21-jährigen Schiffer, der schon durch den Nil geprägt worden
war. Ich wandte mich wieder Kiya-Nut zu, ergriff sanft ihre Schultern
und sprach: „Siehst du! Mach dir keine Sorgen Schwester!“
Mit einem kleinen Ruck legte unser Boot an und wurde sofort von den Schiffern
fest gemacht. Ich half gerade Kiya-Nut vom Schiff herunter als ich jemanden
hinter mir meinen Namen rufen hörte und drehte mich um. „Snorif!
Bruder, wie ist es dir seit Theben ergangen?“ Es war Tupthas, ich
hatte ihn, als ich noch ein Rekrut war, in Theben kennen gelernt. Er war
schon damals einer der Leute, die nie jemanden vergasen. „Tupthas!
Es tut gut ein bekanntes Gesicht zu sehen! “Wir sahen einander an,
als sein Blick plötzlich von mir abschweifte und sich auf Kiya-Nut
richtete, die gerade von Bord des Schiffes stieg, das uns hierher gebracht
hatte.
„Deine Frau, Feldwebel?“ Das letzte Wort sprach er lang gezogen
aus, während er mich angrinste. Erst verstand ich nicht recht doch
dann machte es klick und ich verstand, dass er mit Feldwebel mich gemeint
hatte. „Ja.......ja. Meine Frau......Kiya-Nut.“ Tupthas setzte
sein charmantestes Lächeln auf und blickte zu meiner Frau „Herrin,
willkommen in Darbenati!“ Doch Kiya hatte im Augenblick keinen Sinn
für Schmeichelein und schenkte ihm nur ein schwaches Lächeln
als Zeichen der Dankbarkeit. „Doch nun kommt. Ihr seid sicher völlig
erschöpft!“
Mit schnellen Schritten ging er voran. Während ich keine Probleme
hatte mit Tupthas’ Tempo mit zu halten, fiel Kiya-Nut immer mehr
zurück. Die Wärme machte ihr zu schaffen und der Schweiß
stand ihr auf der Stirn. Mit der rechten Hand versuchte sie sich irgendwo
abzustützen und mit der linken hielt sie sich den Bauch. Das helle
Kleid war schon fast vollkommen durchnässt. Als sie von zwei jungen
Händlern angerebelt wurde, verlor sie das Gleichgewicht und stürzte.
Ich rief Tupthas und eilte zu meiner Göttin. Ihr Gesicht war vor
Schmerzen verzerrt. Mitas stand heulend neben seiner Mutter. „Schwester!
Bei Isis, was hast du denn?“ „Snorif, beeil dich euer Haus
ist nicht mehr weit, nur noch ein kleines Stück!“ Ich nahm
Kiya-Nut, die nun sogar vor Schmerzen weinte, auf, unterdessen hatte Tupthas
sich Mitas geschnappt und rannte voran. Ich konnte ihm gerade so folgen.
Also er plötzlich in ein kleines Häuschen einbog.
In dem großen Vorraum war es unerwartet kühl und ich legte
meine Frau auf die bereits vorhandene Schlafmatte.
Tupthas kraulte einem der kleinen Kinder die seit unsrer
Ankunft um uns herum tollten den Kopf und ging zielstrebig auf eine große
Hütte zu. Bereits sein mächtiges Kreuz und die muskulösen
Oberarme wirkten Respekt einflößend, wie musste er da auf die
dicke Frau wirken, die gerade aus der Hütte heraus kroch.
„Herr, wie kommen wir denn zu der Ehre Ihres Besuches?“ Mit
ironischem Grinsen schaute sie von ihrer gebückten Haltung zu ihm
herauf. „Ein kleines Vögelchen hat mir gezwitschert, dass ihr
hier einen Mann versteckt der wegen schweren Diebstahls von uns und den
umliegenden Garnisonen gesucht wird. Was habt ihr dazu zu sagen, Herrin?“
Bevor sie antwortete, starrte sie erst mich und die sich hinter mir befindlichen
Polizisten verächtlich an, dann Tupthas’ Amtsstab. „Herr,
ihr wisst selbst am besten, dass ich und mein Dorf den Göttern treu
ergeben sind, wieso werden wir also einer so frevelhaften Tat beschuldigt?“
Das ganze Dorf hatte sich bereits um uns herum versammelt: Kinder, Frauen
und Männer. Alle nicht in bester Verfassung, aber doch recht zahlreich.
Nicht nur mich beunruhigte die Entwicklung der Situation, sondern auch
Tupthas’ restliche Männer, die er vorsichtshalber mitgenommen
hatte. Langsam beugte ich mich also zu ihm vor um ihn auf die entstehende
Lage hinzuweisen: „Tupthas, Bruder entweder diese Leute haben uns
alle etwas Wichtiges zu sagen oder ihnen behagt unsere Anwesenheit nicht.
Was gedenkst du also zu tun?“ Ohne die fettleibige Frau vor sich
aus den Augen zu lassen, meinte er nur: „Wenn wir angegriffen werden
sollten, dann haben wir auch das Recht uns zu verteidigen, mein Freund.“
Der Mund der alten Frau begann sich, bei diesen Worten zu einer grimmigen
Grimasse zu verziehen. „Dazu habt ihr kein Recht. Wir haben uns
bisher nie etwas zuschulden kommen lassen!“ „Ich habe dir
eine einfache Frage gestellt, Weib, auf deren Antwort ich noch immer warte.
Wie lange gedenkst du diesen Gauner noch zu verstecken?“ Mein Offizier
schien wie die Dorfbewohner um uns herum langsam die Geduld zu verlieren.
Als ein Falke seinen Kreis über das Dorf zog und sein greller Ruf
ertönte, stürmten die männlichen Dorfbewohner auf meine
Kameraden und mich. Wie uns gesagt wurde und wie wir es gelernt hatten
verteidigten wir uns mit Tritten und Schlägen.
Gerade hatte ich einen meiner Angreifer mit einem Schlag in den Magen
außer Gefecht gesetzt da stürmte bereits ein weiterer von hinten
an mich heran. Ich fühlte seine ungewöhnlich kräftigen
Hände um meinen Hals und spürte die Panik in mir aufsteigen.
Ich ließ mich nach hinten auf ihn fallen und stieß ihm mit
meinem Ellenbogen in die Seite. Vor Schmerzen lies er meinen Hals los
und ich konnte mich zur Seite rollen. Zu spät merkte ich, dass ich
mich genau auf einen großen Holzsplitter legte der sich schmerzhaft
in meinen Rücken bohrte.
Ich schrie ich laut auf. Der Schmerz durchzuckte nun meinen ganzen Körper
und hilflos lag ich auf dem Boden, unfähig irgendein Glied meines
Körpers zu bewegen. Ich schien mich zu drehen und vor meinen Augen
wurde es schwarz. Erst als ich einen Fuß mit Sandalen an meiner
Wade wahrnahm, wachte ich völlig schmerzfrei wieder auf.
Einer der fliehenden Dorfbewohner war bei seinem Versuch Tupthas’
Männern zu entkommen über mich gestolpert. Noch etwas geschafft
stand ich auf und untersuchte meine Umgebung.
Überall verfolgten nun Polizisten flüchtende Dorfbewohner und
Tupthas drückte mit seinem Amtsstab die runde Frau, die uns und der
Herrin Maat mit Respektlosigkeit gegenübergetreten war, mit dem Gesicht
in den Sand.
Ich muss wohl ziemlich mitgenommen gewirkt haben, denn Tupthas bedeutete
einem Polizisten neben ihm, die Frau fest zu nehmen und eilte zu mir herüber.
„Snorif, ist alles in Ordnung mit dir. Du siehst furchtbar aus!“
Seine besorgten Augen sahen mich von unten an, denn er war um ein Wesentliches
kleiner als ich, weswegen ich mir ein Grinsen nicht verkneifen konnte.
„Ja, Winzling, alles in Ordnung.“ Er begann nun auch zu lachen
und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. „Trotzdem wirst du
dich behandeln lassen müssen, denn ich kann mir nicht vorstellen
das der Holzsplitter in deinem Rücken normal ist.“
Er drehte sich um und lief zu der noch immer am Boden liegenden Frau zurück.
„Meru, Peras, genug! Wir kehren zurück und setzten sie erst
mal unter Arrest. Vormarsch!“ Die zwei gerufenen Polizisten schnappten
sich zwei Dorfbewohner und führten sie zu den anderen, die bereits
verschnürt an einer Hauswand in der Sonne saßen. Ihre Hände
waren mit Seilen und Leinen zusammengebunden worden. Zwei Polizisten von
unterschiedlicher Herkunft arbeiteten Hand in Hand als sie die beleibte,
alte Frau abführten. Es rührte mich, denn so ein Bild war noch
nicht immer selbstverständlich gewesen.
Von dem etwas abgelegenen Dorf zurück nach Darbenati würden
wir zwei Stunden brauchen und viel später, als erwartet in der Stadt
ankommen. Tupthas müsste sich wahrscheinlich wieder eine Standpauke
von Kommandant Mariskahre anhören müssen. Die erste von der
er mir erzählt hatte, hörte er, nachdem er mir solange freigab,
bis Kiya-Nut wieder gesund sei. Das war nun 10 Tage her.
Unsre kleine Karawane aus müden Polizisten war noch etwa eine Stunde
von den großen Schutzwällen der Garnison entfernt, als sich
Tupthas von der Spitze der Truppe zu mir nach hinten fallen lies, denn
mein Rücken bereitete mir wieder Schmerzen, weshalb ich nicht so
schnell zu Fuß war.
Eine kurze Weile liefen wir schweigend nebeneinander her. Es muss ein
köstliches Bild ergeben haben: der kleine kräftige Tupthas mit
seinem Amtsstab und ich nicht weniger kräftig, aber um einiges größer
als der Offizier der Polizei von Darbenati. Mein Freund schien sich zu
irgendetwas durchringen zu müssen den sein Gesicht war von Grübelfalten
durchzogen.
„Wie geht es dir Snorif?“ ich hatte mit vielem gerechnet,
aber nicht mit dieser Frage. „Nun ja es geht, Bruder.“ Wieder
folgte eine kurze Stille, dann räusperte sich Tupthas kurz und fragte
erneut: „Und.......und wie geht es deiner Frau ... Kiya-Nut?“
Mit innerlichen Schmerzen dachte ich an die letzten 10 Tage, in denen
ich älteren Frauen zusehen musste, wie sie meiner geliebten Göttin
übelriechende Tränke und Breie verabreichten; wie sie sich nachts
schwitzend von einer Körperseite auf die andere wälzte, ohne
Ruhe zu finden und in erholsamen Schlaf zu fallen. „Es geht ihr
besser. Ja, die Getränke scheinen zu helfen!“ Tupthas’
Gesicht entspannte sich. „Das freut mich, Bruder, wirklich. Weißt
du, ich finde sie sehr nett und ..... hübsch. Ich habe leider noch
immer keine Frau gefunden. Irgendwie scheinen es die Frauen nie lange
bei mir auszuhalten.“ Es folgte ein verkrampftes Lächeln und
ein Räuspern, um wohl die Sinnlosigkeit der letzten Bemerkung noch
zu unterstreichen. Ich wusste nicht, was auf so etwas antworten sollte
und hielt lieber meinen Mund. Die restliche Strecke bis zur Stadt legten
wir schweigend zurück.
Als wir den inneren Stadtbezirk, in dem die Straßen geordnet verliefen,
erreicht hatten, begleitete ich die Polizisten um das fette Weib und die
anderen Dorfbewohner in einer Zelle unter Arrest zu stellen, während
Tupthas den Polizeischreiber und den Kommandanten aufsuchte.
Als ich den kühlen Vorraum unseres kleinen Häuschens
betrat, lag Kiya-Nut nicht, wie erwartet auf der Schlafmatte und ich eilte
über die kleine Treppe aufs Dach wo sie an einem Pfosten, der das
Strohdach hielt, lehnte.
Ich hatte sie noch nicht ganz erreicht als ich eine schreiende alt Frau
hinter mir hörte, die ganz nervös um mich herumrannte und irgendeine
Paste holte. Vorsichtig, als würde sie einen schwer kranken Menschen
vor sich haben, berührte sie meine Schultern und bedeutete mir mich
behutsam hin zu setzten. Sie bestrich meinen Rücken mit der, nach
Aloe Vera, duftenden Creme. Sie murmelte irgendetwas Unverständliches,
dann spürte ich einen kurzen Schmerz und das Weib rannte schnell
nach unten und kam kurz darauf mit Leinenbinden wieder herauf. Sie schnaufte
und keuchte, dass ich befürchtete sie würde gleich bewusstlos
zur Seite kippen. Sanft, fast schon schmeichelnd, verband sie die Wunde,
dann tätschelte sie mir laut lachend meinen kahl geschorenen Kopf,
streckte mir den Holzsplitter entgegen und ging wieder zurück zu
meiner Frau. Der Splitter musste die ganze Zeit in meinem Rücken
gesteckt haben, ohne das ich ihn spürte. Mit einem leichtem Ziehen
im Rücken ging ich zu Kiya-Nut, die mich mit müden Augen anlächelte.
Sie streichelte mir mit zittrigen und kalten Händen über das
Gesicht. Ich erwiderte ihre Geste und küsste sie, zärtlich und
vorsichtig zugleich. Als die ältere Frau wieder neben uns stand,
streichelte ich Kiya-Nut, in die ich so unglaublich vernarrt war, dass
ich es selbst kaum begreifen konnte, noch einmal über den Kopf und
ging übers Dach, die Treppe hinunter und durch den Vorraum zurück
auf die Straße. Ich wollte Kiya-Nut nicht allzu lang alleine lassen,
vor allem jetzt, da es wieder aufwärts zu gehen schien und beeilte
mich daher Mitas abzuholen.
Wir hatten ihn solange seine Mutter krank war bei Tupthas’ Schwester
untergebracht, die ihn bereitwillig aufnahm, weil sie, wie mir mein Offizier
später erzählte, selbst nicht in der Lage war gesunde Kinder
zu gebären. Das Haus, in dem sie, zusammen mit ihrem Bruder lebte,
lag ein kleines Wegstück von unserem Haus entfernt.
Ich musste den Markt überqueren, kam an mehreren Schreinen und sogar
an dem Eingang des Tempels vorbei der, der löwenköpfigen Göttin
Sachmet geweiht war, denn in dieser Stadt gab es schon viele, verheerende
Krankheiten, weshalb die Menschen hier besondern Schutz von der Göttin
erflehten. Er erinnerte mich an meine Zeit als Tempelpolizist in Theben
und Buto.
Ich bog gerade um die letzte Ecke, als ich Tupthas sein Haus verlassen
sah. Er sah mich nicht und ich wollte jetzt auch nicht mit ihm reden,
denn ich hatte ja vor so schnell wie möglich mit Mitas zu seiner
Mutter zurückzukehren. Während ich mir gerade überlegte,
weshalb er so spät noch das Haus verlies, betrat ich den Vorraum,
in dem es nicht nur warm war, sondern auch nach Fisch und Bier roch. Im
Vorraum erblickte ich weder meinen Sohn noch Nuhkira, Tupthas’ Schwester.
Ich suchte also nach der Treppe, um aufs Dach zu gelangen. Nachdem ich
erst die Küche gefunden hatte, fand ich auch eine einfache Holzleiter,
die aufs Dach zu führen schien. Als ich gerade über die letzte
Sprosse lugte, sah ich Mitas der seinen Fisch mit einer dürren, schwarzen
Katze teilte und weiter hinten, unter dem kaputten Strohdach, Nuhkira
halb nackt über einen anderen Mann gebeugt.
Ich räusperte kurz, um auf mich aufmerksam zu machen. Verwirrt sah
Nuhkira hoch und forschte nach dem Ursprung des störenden Geräusches.
Als sie mich erblickte, wich sie von dem Mann zurück und erst da
wurden seine vollen Ausmaße sichtbar.
Der fettleibige Mann starrte mich grimmig an. „Verfluchter Medja!“
rief er zornig aus und erhob sich, um einiges schneller als ich es ihm
zu getraut hätte. Seinen Schurz hatte er bereits eingebüßt
und trug jetzt, zu seiner vollen Größe aufgebäumt nur
noch ein hölzernes Medaillon.
Schreiend lief er mir entgegen und rannte dabei beinahe Mitas über
den Haufen. Ich kletterte schnell vollends aufs Dach und wich seiner Faust
aus. „Moment, Herr!“ ungeschickt stoppte er seinen plumpen
Körper und drehte sich zu mir um. Seine Augen waren blutunterlaufen
und aus seinem Mund schlug mir eine Bierfahne entgegen, die sein ungestümes
Verhalten erklärte, aber nicht rechtfertigte. „Ihr Wilden!
Ihr kommt hier her und tut so als gehört ihr hier her! Verschwindet!“
Ich wusste, dass er sich am darauf folgenden Tag an nichts erinnern würde,
trotzdem nahm ich diese Bemerkung persönlich, ballt meine rechte
Hand zu einer Faust und schlug ihn kräftig ins Gesicht. Er taumelte
kurz, ging einige Schritte auf mich zu und fiel mir, irgendetwas vor sich
hinmurmelnd direkt in die Arme.
Grob lies ich ihn fallen, warf Nuhkira einen genervten Blick zu und nahm
meinen Sohn, der mittlerweile vor Hunger weinte. Erst als ich unten das
Haus verlies, fiel mir auf, dass Re sich bereits gen Westen neigte und
bald seine Reise durch die Welt der Toten antreten würde.
Auf dem Weg nach Hause schlief Mitas, trotz der Geräusche um ihn
herum ein und während ich über die unfreundlichen Worte des
Betrunkenen nachdachte, sah ich mir Mitas’ Hautfarbe an. Er war
dunkler als Kiya-Nut und heller als ich. Ich hatte ein schlechtes Gewissen,
würde er, wenn er älter wird, denn immer noch wie ein Fremder
behandelt werden, auch wenn er in Ägypten geboren worden war?
Das Lachen von Kiya-Nut als ich unser Haus erreichte macht
mich stutzig und ich eilte zu ihr hinauf. Oben sah ich außer meiner
Frau die mich zufrieden anlachte noch Tupthas’ kleine Gestalt, der
mich etwas verschämt angrinste, als hätte er etwas getan, dass
er nicht durfte. Ich legte Kiya-Nut ihren Sohn in den Schoß und
küsste sie.
„Wie geht es dir?“ ich sah sie an und streichelte ihr über
den Kopf „Es geht mir ausgezeichnet, Liebster!“ „Wirklich?“
fragt ich ungläubig und sah ihr direkt in die Augen „Wirklich!
Es geht mir gut. Die widerlichen Gesöffe scheinen geholfen zu haben!“
Sie lachte mich unverblümt an und gab mir einen Kuss auf die Wange
„Mach dir keine Gedanken, der Wein gaukelt mir nichts vor!“
Nach diesem Satz schien ich mich sichtbar zu beruhigen, denn nun traute
sich auch Tupthas etwas zu sagen: „Ich wollte sehen, wie es ihr
geht, nachdem du heute Nachmittag sagtest, es wäre besser. Ich hoffe
das stört dich nicht!“
Ich setzte mich auf die Matte neben Kiya-Nut, die begann den gerade aufgewachten
Mitas zu stillen. „Nein, überhaupt nicht, wenn du mir noch
etwas von meinem Abendmahl aufgehoben hast?!“ Aufgrund der Stimmung
erwähnte ich die Begegnung in Tupthas’ Haus nicht, obwohl ich
mir sicher war, dass er von der Anwesenheit des Mannes gewusst haben muss.
„Hey! Also, wenn du so müde bist, dass du während eines
Gesprächs einschläfst, kann ich ja deinen Fisch auch noch essen!“
Mit einem unbeschwerten Lächeln reichte Tupthas mir einen Fisch mit
Linsen in Blätter eingewickelt und ein halbes Brot. Hungrig fiel
ich darüber her. Erst als ich begann zu essen, merkte ich, dass ich
bereits seit mittags einen leeren Magen gehabt hatte.
Mitas war schon längst eingeschlafen als Tupthas ging. Vom Dach sahen
wir ihn, wie er die Straße entlang schwankte. Ich musste unwillkürlich
lächeln. „Und was machen wir zwei jetzt?“ fragte ich
Kiya-Nut im Flüsterton um unseren Sohn nicht zu wecken „Deinen
Verband wechseln, Liebster“ nachdem sie den Satz vollendet hatte
grinste sie mich an und stand auf. „Das ist doch nicht dein Ernst?“
ich war unschlüssig ob sie das ernst gemeint haben könnte „Natürlich!
....Ich bringe nur schnell Mitas nach unten, dann bin ich sofort wieder
bei dir!“ Bevor sie völlig vom Dach verschwand, lachte sie
mich noch einmal an.
Es schien ewig zu dauern und die Müdigkeit zog mir die Augen zu und
zwang mich, mich auf der Strohmatte hinzulegen. Ich schlief ein noch bevor
Kiya-Nut zurück war.
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